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Auf dem Weg um die Welt


​...und zu allem was dazwischen liegt

Von Einbeinpaddlern, Goldklopfern und Bildhauern - faszinierendes Myanmar...

5/3/2018

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Wir frieren, obwohl wir bereits in zwei Decken gehüllt sind. Natürlich haben wir schon Socken und Pulli an. Kurz wage ich mich in die arktische Kälte und hole zwei weitere. Unser Nachbar schläft bereits, verhüllt. Nur noch seine Augen und seine Nase ragen aus seinem Kapuzenpullover. Außerdem riecht es stramm nach Trockenfisch, das muss ersteinmal ausblenden, wer auch schlafen will. Neidisch schauen wir zu ihm herüber, denn auch wir versuchen zu schlafen. Mir wird es wohl eher gelingen als Xenia, obwohl sie in Bussen meist der bessere Schläfer ist. Richtig, wir sitzliegen im Nachtbus auf dem Weg zum Inle See. Es ist kurz vor Mitternacht, als der Bus kurz rastet und wir die Gelegenheit nutzen, um mit dem Busbegleiter über die Innenraumtemperatur zu feilschen. Dazu muss man wissen, dass nicht nur in Myanmar Kälte mit Luxus gleichgesetzt wird. Aber das ist schon nicht mehr kalt, das ist übertrieben. Wir vermuten die Ursache für den Beinahefrost liegt im säckeweise zugeladenen Trockenfisch begründet. Nur wissen wir inzwischen schon nicht mehr was uns lieber ist und Extrawürste wollen wir eigentlich auch nicht gebraten bekommen. Doch die Skijacke des Busfahrers, der es dennoch selbst bei Flipflops belässt, ist uns ein sicheres Zeichen. Unser Wunsch wird registriert, die restlichen Stunden vergehen wärmer, wenn auch schlaflos.
Lange, unbequeme Busfahrten sind in Asien normal, wenn sie auch generell flotter vergehen, als noch vor wenigen Jahren. Wer noch immer echte Abenteuer sucht, ist in Myanmar trotz allem gar nicht so falsch. Und prinzipiell hätten wir nach der Ruhe der letzten Wochen nichts gegen ein paar Abenteuer und ein bisschen mehr Ursprung einzuwenden, deswegen sind wir hier. Dabei befindet sich Myanmar in einem raschen Wandel, der nur von dem wahrgenommen werden kann, der schon vor Jahren hier war. Für uns wirkt das Land doch arg ursprünglich. Abseits der größeren Städte sind die Straßen noch holprig, die Wege staubig, das Leben ländlich. Der neue Bus wirkt im Dunst des frühen Morgens und den bunt verstrichenen Holzhäusern wie ein Fremdkörper. Das Motorradtaxi aus chinesisch maoistischer Produktion dagegen schon angemessener. Doch tut es seinen Zweck: es transportiert. Wir fallen aus der mit Sitzbänken improvisierten Ladefläche förmlich in unsere Betten, in unser glücklicherweise bereits bezugsfertiges Zimmer und schlafen bis zum frühen Nachmittag. Als es schon beinahe zu spät ist, besichtigen wir Nyaung Shwe, das Städtchen am See, in dem es eigentlich nichts zu sehen gibt.
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Denn vielmehr ist es der Inle See, der die Touristen zahlreich in das kleine Städtchen zieht. Und bis zum See selbst sind es noch etwa vier Kilometer, die über diverse Wasserstraßen bewältigt werden können. Der See zieht seinen Reiz aus den inzwischen recht berühmten Einfußpaddlern, den schwimmenden Dörfern und den Wassergärten. Erstere sind Fischer, die mit Netz oder Korb im flachen Wasser des Sees Fische fangen und dabei allein mit einem Fuß auf dem Bug der schmalen und langen Boote balancieren, während sie mit dem anderen das Boot langsam und gleichmäßig manövrieren. Dies erfordert neben Übung und Geschicklichkeit auch Ruhe und Balance, so dass ihrer Arbeit beinahe etwas Meditatives innewohnt. Selbstverständlich haben es sich die Fischer über die Jahre angewöhnt auch für vorbeikommende Touristen zu posieren und dafür ein kleines Trinkgeld zu erwarten, dennoch finden sich noch immer ebenso viele, die sich lieber ungern beim Fischfang stören lassen und abseits des Touristenstromes agieren. Natürlich hoffen wir als ambitionierte Hobbyfotografen, wie so viele andere an diesem Ort, dass sich ihre fotogene Tradition noch lange erhalten möge. Allerdings ist viel eher zu erwarten, dass sie ihr müßiges Handwerk schon bald gegen den Fortschritt eintauschen werden, sofern es ihnen einen höheren Ertrag bringt, als das alleinige Posieren für zahlende Kundschaft. Auch wir wehren uns gegen die Wehmut, besonders in so ursprünglichen, glücklichen Momenten des flachen Lichts über dem See und diesem ursprünglichen Schaffen darum. Letztendlich erkennen aber auch wir, dass unsere Kameraausrüstung leicht einem Jahresverdienst am See entspricht und westliche Bedenken Luxusprobleme sind, resultierend aus Status und Bildung. Gern schmunzeln wir daher über die Erwartungen so manches Reisenden, der am liebsten das Leben aus den letzten drei Jahrhunderten sucht und Motive, die er allein durch seine Anwesenheit verändert, um am Ende meist glücklichere Menschen zu finden, als so viele in seiner Heimat.
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So fahren also auch wir am nächsten Morgen raus auf den See. Es wird ein langer Tag voller Highlights. Abseits der Paddler bietet er wenig Neues, wenn auch eine Authentizität, die wir vor Myanmar so noch nicht erleben konnten. Im Dunst des Morgens, der selbst noch um 9 über dem See und den Feldern dichter Ufergewächse liegt, besteigen wir unser Boot. Wie für Asien üblich ist es lang und schmal. In Reihe gestellte Stühle bieten uns ausreichend Sitzgelegenheit, während der Fahrer im letzten Drittel des Bootes den Motor bedient. Der Wind weht uns um die Nasen und das Boot pflügt in flottem Tempo durch das glasklare Wasser, hinaus auf den See. Möwen steuern bei, drehen aber schon nach wenigen Sekunden ab. Ihr geschulter Blick verrät, dass wir ihnen keinen Fang verschaffen werden. Dagegen fahren andere, vorzugsweise asiatische Touristen mit für die Vögel reservierten Fresspaketen hinaus und erfreuen sich an dem Spektakel unzähliger Flugakrobaten, die ihnen das Futter im Flug förmlich aus der Hand fressen. Im ersten Vorbeifahren passieren wir die Fischer noch eher widerwillig, denn das Licht ist recht bescheiden.
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Erste Station Markt. Der ist eher mau, wobei man fairerweise erwähnen sollte, dass für mich beinahe jeder Markt mau ist. Immergleiche Produkte in immergleicher Auslage. Xenia weiß sich dagegen schon eher zu begeistern, sei es für Seifen, Schmuck oder deren Verkäufer. Auch hier werden bereits zunehmend die Produkte des burmesischen Alltags durch Touristenklimbim ersetzt, der zwar lukrativer sein mag, aber die Märkte zusätzlich vereinheitlicht. Irgendwie landen dennoch zwei Fischermannshosen in unserem Gepäck, die wir wegen ihrer groben Webung als Bambushosen betiteln, wann immer wir darüber sprechen. Sie mögen aufgrund ihrer Taschenlosigkeit recht unpraktisch sein, dafür sind sie ungemein bequem und wirken zudem stilsicher im Land...
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Nachdem wir ans andere Ufer übersetzen, erreichen wir die schwimmenden Gärten, in denen Dank kühlerer Bedingungen alles an Sträuchern gedeiht, was auch bei uns zu finden ist. Sogar Erdbeeren, die Südfrüchte Südasiens. Der Reihe nach fahren wir kurz darauf die verschiedenen Produktionsstätten um den See ab, sei es für Silberschmuck, Kleidung oder Zigarren. Jede für sich ist außerordentlich interessant, ganz besonders aber die Herstellung von Textilien aus Lotusfasern, die sogar teuerer als jene aus Seide sind oder die typischen Cheroot - Zigarren Myanmars. Die schmecken erstaunlich süß und sind mit Honig, Tamarinde, Nelke, Fenchel und Anis gewürzt. Wir verzichten darauf, uns welche mitzunehmen, denn sie sind außerordentlich stark und werden von den Einheimischen trotz allem auf Lunge geraucht. Im Land sind sie zwar bei weitem nicht so verbreitet, wie die allgegenwärtige Betelnuss, aber dennoch häufiger als konventionelle Zigaretten. Die würden ja nach nix schmecken, sagt man uns. Als sich der Tag bereits dem Mittag entgegen neigt fahren wir zum berühmten Phaung Daw U Tempel. Sein Herzstück sind vier kleinere Buddhas, die allerdings derart mit Gold zugeklebt wurden, dass ihre ursprüngliche Form nur noch zu erahnen ist. Eigentlich hätten sie ja gerade noch die richtige Größe zum mopsen, fantasieren wir, als wir das innere Betreten. Aber an derlei Verbrechen ist natürlich nicht zu denken. Dennoch werden sie einmal im Jahr in einem speziellen Festboot auf den See hinausgefahren, um wen auch immer zu besänftigen.
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Der Legende nach fielen bei einer dieser Fahrten alle vier Buddhas ins Wasser. Weil der See nur selten über fünf Meter tief ist, konnten drei der Buddhas rasch wieder geborgen werden. Nur einer verschwand wohl im Dickicht der im See allgegenwärtigen Wasserpflanzen. Man stelle sich nur die Tragödie vor. Wir schätzen, die Beteiligten haben lange gesucht, bevor sie sich überwinden konnten, ohne die heilige Figur zurück in den Tempel zu fahren. Doch siehe da: der Buddha stand bereits wieder an seinem Platz. Ein wahres Wunder, das einem Vogel zugeschrieben wird, der sich just in diesem Moment auf der Statue befand. Wir hoffen, dass es nicht ein weiteres mal der Güte eines Vogels überlassen sein wird, eine versenkte Goldstatue wieder an seinen Platz zu bringen.
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Im Anschluss fahren wir zum Indein Hügel, der hauptsächlich durch seine hunderten auf einem Berg platzierten Stupas auffällt. Ein schöner Ort, getreu nach dem buddhistischen Motto: viel hilft viel. Weil sich der Tag selbst schon dem Ende entgegen neigt, beeilen wir uns, den Berg wieder hinab zum Boot zu kommen.  Bis das wieder am anderen Ende des Sees angekommen ist, vergeht eine weitere Stunde. Die rote Sonne verschwindet bereits hinter den flachen Bergen des Tals, als wir erneut die Einbeinpaddler erreichen. Trotz größten Bemühens für unser Vorhaben erkennen wir schnell, dass wir den Moment schlicht verpasst haben. Wir beschließen am nächsten Tag nocheinmal auf den See hinauszufahren, wenn auch nur für die zwei entscheidenden Stunden.
Weil man nicht nur den See auf dem Wasser, sondern auch an seinen Ufern entdecken kann, mieten wir uns am kommenden Tag Fahrräder. Unglücklicherweise sind diese zwar in herausragendem Zustand, die Straßen des Umlands jedoch nicht. Als wir den ersten, etwa 10 Kilometer entfernten Ort auf unserer Karte erreichen, haben wir bereits schon keine Lust mehr. Zum Glück gibt es hier eine Fährverbindung über den See, wenn auch nur in Form einer Anlegestelle und nach Verhandlung mit den Fahrern. Unsere Hoffnung auf eine schnelle Mitnahme verfliegt zusehends. Vorsorglich hat man uns im Gasthaus den Preis für das Übersetzen genannt und nun wollen diese Kollegen hier glatt das doppelte, etwa 8 Euro. Das ist schon frech. Obwohl uns nicht danach zumute ist, drehen wir um und sind bereits auf dem Rückweg, als uns ein anderer Fahrer entgegen kommt und fragt, warum wir nicht wie alle anderen übersetzten. Wir erklären uns, worauf er uns spontan fast den angemessenen Preis für 5 Kilometer Fahrt und eine Stunde Arbeit seinerseits nennt. Wir fahren zurück zum Bootsanleger. Zum Glück sind wir über unseren Schatten gesprungen, denken wir uns, als wir von dieser Seite des Sees eine noch schönere Variante der Stelzendörfer zu sehen bekommen. Bei mildem Sonnenschein und allerschönstem Wetter legen wir am anderen Ufer an einem 400 Meter langen Ausleger an.
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Auch wenn es nicht wenige Touristen in das Dörfchen verschlägt, erstaunen wir, als wir das erste mal zu wirklich einheimischen Preisen speisen. Etwas über 2 Euro zahlen wir für zwei Vorspeisen, zwei Getränke und ein vegetarisches Hauptgericht. Auf der Karte waren nicht einmal Preise ausgewiesen, offensichtlich vertraut der Burmese seinem Wirt. Jetzt müssen wir aber zurück, auch wenn wir das Angebot der Wirtin liebend gerne angenommen hätten uns für einen Euro noch eine halbe Stunde durch das schöne Dörfchen zu paddeln. Wir hätten wirklich keine Zeit, erklären wir, was dennoch wie eine Ausrede anmutet, an einem solchen Ort. Auf dieser Uferseite sind die Straßen schon neuer und wir kommen gut voran. Vermutlich hätten wir uns die halbe Stunde doch noch leisten können. An der fixen Bootsanlegestelle Nyaung Shwes quatschen wir einen Fahrer an, dem wir unseren Wunsch ersteinmal erklären müssen. Wirklich nur auf den See wollen wir, noch nicht einmal weit hinaus. Keine Rundfahrt, kein nichts. Die Paddler wollen wir sehen, im besten Licht. Ja, aber die Sonne gehe doch erst in einer Stunde unter, da sollten wir später wieder kommen. Nein, wir wollen nicht fahren, wenn sie untergeht, sondern dann bereits draußen bei den Fischern sein. Er schaut, als könne er wirklich nicht verstehen, was wir da vorhaben. Dennoch gewährt uns unseren obskuren Wunsch, zumal wir selbstverständlich dafür zahlen. Den Job überträgt er einem Jungspund, der sich vermutlich erst noch beweisen muss, wenn er eines Tages zur Bootsfahrerelite gehören will.
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Tatsächlich sind wir wirklich recht früh auf dem See, doch sind wir vermutlich einfach noch nicht abgeklärt genug, uns als ambitionierte Fotografierende nicht vom Unverständnis unseres Umfelds stören zu lassen. Mit dem Unterschied, dass unsere Vorbilder selbstverständlich Geld mit ihrer Arbeit verdienen, haben wir uns natürlich auch an ihrer Arbeitsweise und hilfreichen Hinweisen orientiert. Gute Reisefotografen wie Steve McCurry oder David Lazar verbringen mitunter ganze Tage nur mit ihrem Motiv oder warten von früh bis spät auf ihr Foto. Auf gar keinen Fall können sie ihre Arbeit davon abhängig machen, was ihre Fahrer oder Führer davon halten und schon gar nicht von dem Umstand, ob sie jetzt oder je oder nie dafür bezahlt werden.
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Unser Fahrer übt sich dagegen wacker in Geduld, während Xenia sich überwindet und den fotogensten Fischer fragt, ob sie zu ihm ins Boot steigen könne. Natürlich genehmigt er ihr den Wunsch. Ohne dass wir Anweisungen geben würden, fährt der Paddler ein wenig von den anderen weg und ermöglicht uns so einen breiteren Ausschnitt. Oft und gern würden wir dann noch erklären können, dass wir kein Interesse an gestellten Bildern haben und es uns das Allerliebste wäre, wenn die Protagonisten einfach nur tun, was sie immer tun. Vielleicht sind wir da aber auch mit unseren Wünschen allein, so können wir es auch gar nicht übel nehmen, als sich der alte Mann abmüht, uns mit seinen Posen zu gefallen. Doch allein schon durch das gemeinschaftliche Warten auf den Sonnenuntergang umfängt ihn die Ruhe, die uns die besten Bilder ermöglicht. So gelingen uns im Licht der schwindenden Sonne so manche Schnappschüsse, die wir gestern auf gar keinen Fall so hinbekommen hätten, selbst wenn wir früher dagewesen wären. Zufrieden fahren wir zurück, was für ein Erlebnis...
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Nach einem kurzen Abstecher nach Kalaw, an dem wir uns versichern, wirklich nicht in der Umgebung wandern gehen zu wollen, fahren wir weiter nach Mandalay. Der Stadt wohnt noch das alte Burma inne, sei es in ihrer Geschichte als Sitz des Kaisers oder als Zentrum des kolonialen Burmas. Dabei hat sie den Wandel bei weitem nicht so schadlos überstanden, wie andere ehemals kolonialisierte Städte Asiens. Die alte Holzbebauung wurde inzwischen größtenteils durch immergleiche Betonklötze mit schmutzigen hellen Fassaden ersetzt, wenngleich viele der alten Tempel noch stehen. Das mag zum Teil auch an den schweren Bombardierungen der Alliierten liegen, um die Japaner aus der Stadt zu treiben. Selbst den Königspalast traf es seiner Zeit. Er wurde, nachdem das riesige Areal dankend vom Militär in Beschlag genommen wurde, nach und nach wieder aufgebaut ohne jedoch den Glanz vergangener Tage lebendig werden zu lassen. Wir heben ihn uns  für den Schluss auf und widmen uns lieber den anderen Sehenswürdigkeiten der Stadt.
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Erneut leihen wir uns Fahrräder aus, auch wenn wir damit nur auf die Innenstadt beschränkt bleiben. Die Ausmaße des ehemaligen Palastareals werden uns beim ersten Umrunden noch bewusster, als beim Blick auf die Stadtkarte. Es dauert sein Weilchen bis man nur eine Seite abgefahren hat. Auf dem Weg zu den mehreren, in Nordosten der Stadt gelegenen Tempeln, passieren wir ein Prozession, die gerade am Straßenrand in der Entstehung ist. Urplötzlich halten wir. Wer weiß schon, wann so eine Möglichkeit wieder kommt. Auf festlich geschmückten Wägen sitzen bereits in Festkleidung gehüllte Frauen und oder deren Kinder. Die Männer halten es dabei weniger authentisch. Offenbar genügt es ihnen rauchend und kauend, ihre vor die Karren gespannten Ochsen im Zaum zu halten. Genauso stoisch wie ihre Herren blicken sie in die immergleiche Richtung. Auch kauend, aber nicht rauchend. Zweifellos sind sie die schönsten und stolzesten Ochsen, die wir seit langem zu Gesicht bekommen. Wohlgenährt und gestriegelt, blieben sie wohl lange von harter Arbeit verschont. Den Kindern wird das Warten zuviel, doch entgegen anderen Kindern, beherrschen sie sich und ihre Bedürfnisse. Von einem Kind wird in Myanmar zu allererst erwartet, folgsam zu sein und seinen Eltern nicht zur Last zu fallen, lesen wir in einem fachkundigen Reiseführer, der uns seit dem Inle See vorübergehend begleitet. Kleine Kaiser haben wir entgegen neuerlichen asiatischen Trends in Myanmar noch keine entdecken können. Im Vergleich der nationalen Standards für Kindererziehung scheinen sie uns als ein Phänomen der Verwestlichung aufzufallen. Ihre Geduld wird darüberhinaus nachvollziehbar auf die Probe gestellt, als ihre Mütter uns ungefragt anbieten, ihre heute besonders  hübschen Kinder zu fotografieren. Ein Angebot, dem wir uns natürlich nicht verwehren können. Wir halten es kurz und danken ihnen stumm. Sie registrieren unsere Geste und schmollen unbeachtet.
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Laut polternd setzt sich auf der Gegenseite der Festzug in Bewegung. Als Kopf des Zuges agiert der Antreiber, der auf der Ladefläche des Kleinlasters in den Ausmaßen eines Kleinwagens und mit der Hilfe eines Mikros und vieler Lautsprecher was auch immer erzählt. Diese Kombination wird uns im Land noch öfter begegnen, ob als Mann oder Frau, sprechend oder singend, enthusiastisch oder melancholisch bis depressiv, ob preisend oder mahnend. Diese Form der Werbung und Verlautbarung erreicht hierzulande noch die Menschen, auf der Straße oder in ihren Häusern, wo sie essen, schwatzen oder warten. Wie zum Beispiel auf Wägen wie diesen. Mitläufer sperren die Straße in einer Selbstverständlichkeit, die nur einem so verständnisvollen Umfeld möglich sein kann. Ehrfürchtig hält der Gegenverkehr. In Deutschland hätte man sie angefahren, angehupt, angeraunt. Allein schon als Mahnung. Oder aus Rache. Wenn das jeder macht. Die Ochsenkarren sammeln sich und gehen gleichmäßig in einen Trab über, der sich dem Zug und der Masse fügt. Nicht mehr lang und ohrenbetäubende Tempelklänge werden die Prozession komplettieren. Ich stelle mir die burmesische Version des Männertags vor, nur eben mit Kindern, Frauen, Ochsen. War ja bei uns auch mal heilig. Und dann kam das Bier. Vielleicht wird am anderen Ende der Stadt auch ein Kaufhaus eröffnet, kann ja sein. Nein, heute ist tatsächlich irgendein Feiertag, bekomme ich stattdessen zu hören. Nach zwei Minuten ist der Spuk vorbei, der Platz vor dem Tempel ist so leer, als wäre er es den ganzen Morgen schon gewesen. Zum Glück sind wir gerade hier vorbeigekommen, haben nicht länger gefrühstückt oder sind anders gefahren. Xenia nickt: das war schön.
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Keine zwei Minuten fahren wir zur Kuthodaw Pagode. Inspiriert haben wir uns bei einem Meister der Burmafotografie persönlich: David Lazar. Dazu muss man erklären, dass das Land und seine Bewohner derart fotogene Motive sind, dass gar nicht so wenige Menschen ausschließlich wegen der Bilder nach Myanmar reisen. Sie verbringen dann geduldig einen Monat an ausgewählten Plätzen und kehren danach mit Fotos heim, die postkarten- oder bildbandtauglich sind. Und natürlich sind die Orte, die für deren beste Bilder taugen, auch für uns gerade gut genug. Wir könnten also warten und schauen, an was für Plätzen wir letztendlich am erfolgreichsten waren, oder aber gleich vorab die besten Tempel abfahren. Diese müssen nicht zwangsläufig die aus den Prospekten sein. Und was sollen wir sagen, zum Glück haben wir es so beschlossen.
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Während wir noch interessiert wie eh und je das Tempelareal besichtigen, zum tausendsten mal die Stupa umrunden, bemerken wir wie nach und nach immer mehr Schüler und Absolventen in ihren schönsten Kostümen das Areal betreten. Nicht wenige haben sogar einen Fotografen und ihre stolzen Eltern im Schlepptau. Das Schöne an bezahlter Fotografie ist vorallem die Tatsache, dass man die Fotografierten gleich so positionieren kann, wie man es selbst angesichts von Licht und Hintergrund gern hätte, ohne sich dabei allzu große Sorgen über die eigene Höflichkeit machen muss. Als wir zu Beginn noch glauben, die feschen Mädels vor den ikonisch weißen Tempelschreinen gehörten zu einer Privatveranstaltung, fotografieren wir noch heimlich um die Ecken oder über die Schulter des jeweils anderen. Selbstverständlich werden wir schon nach kurzer Zeit bemerkt und mit schelmischem Lächeln bedacht. Besonders in den Großstädten scheint wirklich niemand ein Problem zu haben, wenn man ihn ungefragt fotografiert.
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Weiter fahren wir zur Shwenandaw Pagode, die komplett aus Holz gefertigt wurde. Einst im inneren Palastareal gelegen, steht sie nun weit außerhalb und ist damit ein Synonym für die letzten Jahre einer Jahrhunderte andauernden Herrscherdynastie. Die Geschichte der Herrscherfamilien des alten Burmas liest sich wie eine indische Seifenoper. Ständig wurden neue Intrigen und Verschwörungen geschmiedet, die beinahe immer mit dem Tod eines Mitglieds aus der Königsfamilie endete. Wer vorhatte, selbst länger auf dem Thron zu sitzen oder gar vorab eines seiner Kinder für die eigene Nachfolge bestimmte, musste, wie wir erfahren, recht großzügig bei der Beseitigung seiner Widersacher agieren. Da brachte man im Zweifelsfall lieber einen zuviel, als einen zu wenig um die Ecke. Auch die Briten machten sich diesen Umstand zunutze und bestärkten abwechselnd den einen oder anderen Aspiranten, im Wissen, dass sich die Dinge so beinahe von allein regeln würden. Das schlechte Gewissen oder die Angst vor bösen Geistern brachten nun König Thibaw, dessen böse Schwiegermutter dem halben Hofstaat ins Jenseits verhalf dazu, nach seiner Ernennung den Holztempel zu verlegen, um sich künftig vor dem enttäuschten, potentiell rachsüchtigen Geist König Mindons zu schützen. Dieser hatte noch einen Kurs der Modernisierung des Landes angestrebt, hoffnungsvolle Angestellte nach Europa gesandt, um von der Industrialisierung zu lernen. Als sein eigener, vielversprechender Sohn einem Komplott zum Opfer viel, gab er auf und bestimmte bis zu seinem eigenen Tod niemanden mehr. Um den Rest kümmerte sich dann die böse Schwiegermutter, oder Exfrau, je nach Betrachtungsweise. Letztlich war dies ein Glück für den Tempel, der folglich versetzt wurde, so der Zerstörung durch die Alliierten entging und heute zu den wertvollsten nationalen Kulturgütern gehört. Er ist unzweifelhaft eine Meisterleistung burmesischer Holzschnittkunst und muss aufgrund seiner Beschaffenheit dennoch permanent repariert werden. Die vielen feinen Details immer wiederkehrender Motive lassen ihn für uns zu einem der außergewöhnlichsten Bauwerke unserer Reise werden.
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Im dichten Verkehr fahren wir zur Straße der Goldklopfer. Wie für Asien üblich, sind einzelne Straßen, mitunter eigene Stadtteile den verschiedenen Gewerben zugeordnet. Für den opferfreudigen Burmesen ist dabei das Blattgold von zentraler Bedeutung. Schon von weitem hören wir das sich in gleichmäßigem Takt wiederholdende Klopfen von Holz auf Leder auf Holz aus mehreren Richtungen, mehreren Werkstätten.
Wir halten bei der ersten. Hier sind nur noch wenige Klopfer bei der Arbeit, vermutlich naht schon der Feierabend. Etwa 6 bis 8 Gramm Gold klopft ein Klopfer in einer Schicht, die je nach Klopfer, etwa 4 bis 6 Stunden andauert. Körperliche Befinden können bei dieser Tätigkeit keine höhere Bedeutung genießen, eher Hingabe und Opferbereitschaft. In der denkbar ungesundesten Körperhaltung, die sich ein Physiotherapeut erdenken könnte, stehen die Klopfer zwischen einem Schlagstein, auf dem zwischen gespaltenem Bambus ein dickes Lederbündel liegt. In dieses sind wiederum Hunderte Schichten Bambuspapier eingespannt, das äußerlich frappant an Backpapier erinnert und dessen Herstellung wiederum ein eigenes, interessantes Kapitel forderte. Nur soviel: in Zitronensaft eingelegter Bambus wird über ein Jahr in seine Fasern zersetzt, die wiederum aufwendig zermahlen und zu Papier gewalzt werden. Dieses Papier ist für die traditionelle Blattgoldherstellung zwingend notwendig, da es dem Buntmetall nicht anhaftet. Mehrfach wird das Gold ausschließlich von Frauen aus dem Papier geschnitten und neu geschichtet in den nächsten Block gespannt. Letztendlich werden so aus einem Gramm Gold etwa 80 Goldblättchen, wobei eines dann zu etwa 50 Eurocent verkauft wird.
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Wenn also so mancher Buddha im Land schon mit einer Tonne Gewicht vergoldet wurde, bedarf es gigantische 80 Millionen Spender, bis dieses erreicht wurde. Schier unglaublich! Natürlich kann man dieser Tage Gold nicht einfach nur darbieten, sondern auch schmückend verarbeiten, wie der angeschlossene Laden beweist.
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Wir widerstehen der Versuchung und fahren zum Sonnenuntergang am Irrawady. Ein Erlebnis, das man sich hätte sparen können. Große Flüsse in Asien sind meist keine schönen Orte. Der gewaltige Fluss ist gut schiffbar, was gleichermaßen sein Unglück bedeutet. Verlassen rosten die Seelenverkäufer an den Ufern Mandalays, während stinkend qualmende Ungetüme sich ihren Weg durch braunes Wasser bahnen. Sicher transportiert so ein Fluss neben den Abwässern der Stadt auch reichlich Sedimente, was ihm selbst im natürlichen Zustand seine charakteristische Farbe gegeben hätte. Und doch verstärkt der äußere Anschein unseren Eindruck eines leblosen Gewässers. Kaum zu glauben, dass hier irgendwo noch Irrawady Flussdelfine in niedrigstem Bestand nach was auch immer fischen. Wir schauen hinaus auf das Wasser und weit entfernte Auen, die rot und schwarz im letzten Licht des Tages ein wenig Indien in Myanmar erkennen lassen.
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Was wir am gestrigen Tag nicht mit dem Fahrrad erreichen konnten, soll das Motorrad richten. Auf der Suche nach den Dörfern südlich Mandalays, halten wir zuvor an der Mahamuni Pagode. Wer wissen will, wo das Gold der Goldklopfer größtenteils landet, sollte sich den in ihr enthaltenen Buddha anschauen. Beinahe hätten wir ihn ausgelassen, weil wir in den wenigen Tagen in Myanmar unseres Erachtens schon ausreichend Buddhas gesehen haben. Glücklicherweise jedoch konnten wir uns nocheinmal überwinden. An dieser Stelle danken wir nocheinmal unserem liebgewonnenem Reiseführer, der eben nicht jeden Buddha lobt, aber eben die entscheidenden. Einst war er nur einer von fünf Ebenbildern, die zu Lebzeiten des echten, leibhaftigen Buddhas gefertigt wurden und von denen noch zwei in Indien und zwei andere bereits im Paradies verweilen. Der Legende nach schuf der echte Gautama Buddha sein Ebenbild rein meditativ innerhalb nur einer Nacht, als er auf seiner Glaubensreise den König von Akanan traf und dieser, zutiefst beeindruckt von Gautamas Erscheinung, um ein Abbild bat. Über die nächsten Jahrhunderte wurde er mehrfach erobert und versetzt, bis er zuletzt von König Mindon im Nachbarkönigreich Mrauk U gepfändet wurde und seine heutige Position in der Mahamuni Paya bei Mandalay erhielt. Zwischenzeitlich brannte der Tempel nieder, nur der Buddha selbst blieb unversehrt. Ein weiterer Mythos, der seine Heiligkeit bestätigt. Deren gibt es noch weitere, zum Beispiel die, dass die Blätter aller Bäume Mandalays in seine Richtung wachsen oder dass der Tempel stets groß genug sei, um alle Pilger aufzunehmen. Die rund 100 Kilogramm Gold, die den Buddha bis dahin kleideten, wurden eingeschmolzen und danach neu aufgetragen. In den letzten gut 100 Jahren haben berufene Gläubige weiterhin soviel Gold an den etwa zwei Meter hohen, auf einem Podest sitzenden Buddha geklebt, dass man die Umrissen seiner gewaltigen Füße nur noch erahnen kann. Auch an seinem Rücken prangen indes schon dicke Beulen puren Goldes, von denen nach unserem Dafürhalten gern eine in unsere Tasche fallen dürfte. Bei der inzwischen 15 cm dicken Goldschicht, die das Abbild bedeckt, fiele das gar nicht mehr auf, glauben wir. Doch soweit kommen wir gar nicht, denn Xenia ist als Frau gänzlich unberechtigt, sich dem Goldgeschöpf zu nähern und ich dürfte zwar in diese heiligste aller Hallen, muss aber als Nichtspender noch vor der eigentlichen Kammer, die der Mahamuni Buddha vollständig ausfüllt, stehen bleiben. Uns genügt, über die Brüstung zu schielen und dem Treiben darin gebannt zu folgen. Von drei Seiten drängen sich goldspendende Männer und Jungen um durch ihr Opfer seinen Segen zu erhalten. Weil übereifrige Spender sogar Gold in das Gesicht der Statue kleben und damit sukzessive sein Antlitz zerstören würden, wird dieses jeden Morgen vom höchsten aller Mönche gewaschen und gesalbt. Sogar die Zähne werden ihm mit einer eigens dafür gefertigten Bürste geputzt. Wenn das keine Liebe ist...
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Unser eigentliches Ziel am heutigen Tag sind die Hügel von Sagaing auf der anderen Seite des Irrawady. Mit dem Motorrad klappern wir die Ortschaften entlang des Weges ab und landen vorübergehend bei den Steinmetzen, die emsig die Straßen vernebeln und im dichten Dunst ihrer Schleifgeräte verschwinden. Fasziniert von der Vielfalt des immergleichen Motives, übersättigen wir uns an den Figuren, bis wir uns schließlich zur Weiterfahrt aufraffen und kurz darauf die richtige Auffahrt entdecken. Golden schimmern auf jedem einzelnen Hügel die Spitzen. Eine Stupa für jeden Berg. Wir wählen uns den höchsten und fahren bis zum Ende der Straße. Eine Gruppe Schüler hat die zentrale Tempelanlage für sich in Beschlag genommen und verteilt mitgebrachte Esspakete. Zweilagiger Toast und eine millimeterdünne Schicht Marmelade, brotgewordene Askese, die wir dankend annehmen, wobei uns die lachend lustige Schülerschar erst beim Verzehr ihres Erzeugnisses beiwohnt und sich dann der Reihe nach fotografieren lässt. Selfietime! Wir begrenzen das Zeremoniell in bekannter Manier nach dem zehnten Posenwechsel, was man uns mit verlegenem Achwirklichblick durchgehen lässt. Feichsend ziehen wir von dannen und bemerken erst jetzt zwei andere Reisenden in etwa unserem Alter, die schon wussten, warum sie sich die letzten Minuten in auffällig unauffälliger Spionagepose an eine der Mauern geschmiegt hatten. Wir lachen zurück, die Luft ist jetzt rein...
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Auf dem Weg vom Tempel zurück, halten wir an einem der Klöster. Schon auf der Hinfahrt hatten wir Hunderte Novizen, in Mönchs- oder Nonnenroben gekleidet auf dem Weg in die Schule beobachtet. Ein lohnendes Motiv, dass wir uns ersteinmal für später aufheben wollten. Erst der Tempel, dann die Schule. Nun sehen wir noch ausreichend Zeit, doch wenigstens einmal auf den Schulhof zu schauen. Ohne irgendjemanden zu stören setzen wir uns auf ein Bank und warten. Ziellos folgen wir dem Treiben, schauen und knipsen gemäßigt. Dabei scheinen uns die Schüler noch interessanter zu finden, als wir sie. Ihre jugendliche fernöstliche Zurückhaltung mäßigt ihr Verhalten, wie auch die Perspektive eines Voyeurs das unsere. Einerseits erinnert uns das Wuseln im Hof, das ein und aus zwischen den Räumen an das Treiben in der Großen Pause, andererseits scheinen alle nur auf irgendetwas zu warten. Bis der große alte Mönch an die Glocke tritt und in hellem Klang den Schultag zu Ende läutet. Jede übergeordnete Ordnung, alles vorgebliche Lernen ist spätestens jetzt verloren. Als gelte es, den besten Platz im Schulbus zu erwischen, strömen die Schüler aus ihren Klassen, hinaus auf den Hof, hinaus in die Freiheit. Nach zwei Minuten sind nur noch die Lehrkräfte auf dem Gelände, zumeist selbst Nonnen oder Mönche, aber eben nicht ausschließlich. Auch wir sehen die Zeit zum Gehen gekommen, zu unserem nächsten Höhepunkt des Tages, der U-Bein-Brücke in Amarapura.
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In chronischer Geistesabwesenheit hatte ich den so ikonischen Namen der Holzbrücke über den Taung Tha Man See in der Form ihrer Stelen verortet, die möglicherweise wie umgekehrte U's aussehen könnten. Da die Burmesen aber üblicherweise burmesisch sprechen ist der Name der Brücke von ihrem Erbauer abgeleitet, einem gewissen U Bein. Der beschaffte sich das Holz der 1200 Meter langen Brücke aus den Resten eines Palastes, der wohl nicht mehr benötigt wurde. Nun laufen seit gut 150 Jahren tagein, tagaus Burmesen mit vorzugsweise klassischem Gewand, Mönche mit Schirm, Verkäufer mit Waren und Fahrradfahrer mit Fahrrad über die Stelen und geben besonders als dunkle Schatten im Sonnenuntergang einen unvergesslichen Anblick ab. Diesen haben seit vielen Jahren schon westliche Besucher als Motiv entdeckt und belagern die Brücke zu deren Seiten. Selbst Amitav Goshs Myanmar Standardwerk 'Der Glaspalast' trägt auf seinem Einband jenes Bild. Leider allerdings befinden sich inzwischen aus ungeklärten Gründen auf der Brücke ebenso viele Touristen, wie darunter, was die Brücke tagsüber unfotografierbar macht. Abends sehen sich die Menschen zum Glück wieder ähnlicher, was auch uns in eines der Boote lockt. Die Bootsmafia hat sich einen zentralen Oberganoven erdacht, mit dem man nicht handeln kann und der für eine knappe Stunde Rumgeschipper in flachem Wasser einen anständigen Tageslohn kassiert. Kurz überlegen wir, ob auch bei uns das Gerechtigkeitsgefühl siegt, verwerfen den Gedanken aber bald wieder. Schließlich sind wir nur deswegen hier und der Preis dafür mag unmoralisch sein, wir jedoch nicht auch noch selbstgerecht. Dabei ist es das einzige Mal im Land, dass wir einer so offensichtlichen Abzocke erliegen...
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Zu allerletzt besuchen wir am Abend noch das vielgerühmte Marionettentheater Mandalays. Der Andrang beschränkt sich inzwischen auf wenige Touristen und so ist der Besucherraum ist auf kaum mehr 40 Stühle zusammengeschrumpft. Dennoch ist die hier gezeigte Vorstellung Repräsentant einer alten Tradition des Landes. Die allerbesten Puppenspieler durften ihre Stücke am königlichen Hof spielen, die Monarchen unterrichten und waren in ihrer Kunst derart angesehen, dass sie selbst den König in seinem Spiel kritisieren durften. Heute allerdings wird ein Potpourie verschiedener klassischer Stücke gespielt. Kampf, Drama, Komödie, alles dabei, reduziert auf jeweils wenige Minuten. Auch die Stücke selbst sind im Lauf der Jahrhunderte mit dem Anspruch ihres Publikums gewachsen, weshalb wir ohne Erklärung von Kultur, Geschichte und deren Zusammenhang, wenig verstehen. Als der Vorhang fällt und der letzte Ton des Orchesters gespielt ist, präsentiert sich ein kleine Schar Komparsen um den letzten Meister seines Fachs. Er ist bereits 80 Jahre alt, verlässt das Theater in Hausschuhen, schüttelt jedem Besucher dankend die Hand und steigt auf ein wartendes Motorradtaxi vor dem Ausgang. Ein wenig Melancholie liegt in der Luft ob einer weiteren sterbenden Tradition des Landes. Kulturwandel ist Unterhaltungswandel. Bei uns sterben schon die Opernhäuser, irgendwann wohl auch die Kinos. Ich stelle mir vor, wie sich dann die Menschen hinter 3D-Brillen zuhause Vorstellungen wie diese anschauen und begeistert von der Nostalgie vergangener Zeiten zehren.
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Einen kurzen Ausflug gönnen wir uns noch. Bevor wir die Stadt verlassen, wollen wir noch den alten Königspalast besichtigen. Die Zeit gibt es gerade noch her, weil die Weiterfahrt erst für den späten Nachmittag gebucht haben. In unmöglichen zwei Stunden hetzen wir durch das Areal, das mit unserem Sammelticket bereits gezahlt ist. Das Militär hat sich zweifelsohne größte Mühe gegeben, die alten Holzpaläste wieder zu errichten, und doch wirkt der Palast inmitten des Sperrgebietes seltsam steril. Kalt und unbewohnt erklären Schilder und Holzpuppen die alte Geschichte des Landes, die interessant genug wäre, lebendiger dargestellt zu werden. Da waren die Mittel wohl doch zu begrenzt, ein ebenso surrealer Fakt, angesichts der Dinge, für die eine Militärregierung so Geld hat. Dessen ungeachtet beeindruckt die schlichte Größe des gesamten Areals, in dem sich die Monarchen so erfolgreich vor ihren Regierten verstecken konnten. Praktisch mussten sie sich ausschließlich von ihren Beratern und und korrupten Ministern über die Vorgängen außerhalb der Tore unterrichten lassen und auf deren Einschätzung vertrauen. Die Könige ihrer Zeit mussten sehr einsame Menschen gewesen sein, glauben wir.
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Weiter fahren wir zuerst in die Kühle der umliegenden Berge nach Hsipaw und darauf mit dem Moped durch die Peripherie. Es bedarf nur wenige Kilometer Fahrt, bis wir Landluft und -leben in einer Ursprünglichkeit erleben, wie wir sie schon in den Nachbarländern regelrecht suchen müssen. Auf der Suche nach vermeintlichen Sehenswürdigkeiten der Region erfahren wir mehr über die Menschen und ihr Leben auf den Feldern, als wir vorab hätten planen oder recherchieren können. Doch weiter wollen wir nicht, können wir auch gar nicht. Folgten wir den Straßen hier noch weiter, würden wir irgendwann in China landen, dessen löchrige Grenzen illegale Abenteuer versprechen, von denen wir lieber Abstand nehmen. Stattdessen sparen wir Zeit und buchen das Zugticket für den nächsten Morgen.
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Zugfahren in Myanmar ist dabei noch immer eines der größten frei buchbaren Erlebnisse des Landes. Die Schienen stammen beinahe ausschließlich aus der Kolonialzeit und sind inzwischen so krumm und schief, dass die fortwährende Nutzung schlicht überrascht. Ohne Übertreibung wirkt eine stillgelegtes Bahngleis in der Heimat immernoch vertrauenserweckender, als diese Schmalspurkufen. Und doch lässt sich mit konsequenter Langsamkeit bewältigen, was in Europa bereits verboten wäre. Am frühen Morgen läuft unser zur Hälfte von Touristen gebuchter Zug ein, am späten Nachmittag  erreicht er Pyin Oo Lwin. 150 Kilometer, 7 Stunden. So schaukelt sich unser Panoramazug seinem Zielort entgegen, einzig unterbrochen von dem schaukellosen Gokteik Viadukt. Dieses wurde einst von den Briten über eine gigantische Schlucht gebaut und ist heute der Höhepunkt aller Zugfahrten des Landes. Da die Zugtüren auch während der Fahrt geöffnet bleiben, befindet man sich sprichwörtlich einen Fuß vor dem Abgrund. Wir belassen es beim sicheren Blick aus dem Fenster. Da die Briten auch wirklich nur so breit bauten, wie sie unbedingt mussten, sind wir auch recht dankbar, dass der Zug nun förmlich ruhig in stetem Schritttempo auf die andere Seite fährt, für uns ein minutenlanges, eindrückliches Spektakel. Den Rest der Strecke wird dann wieder geschaukelt, ist ja auch irgendwie authentisch. Irgendwann werden auch Strecken wie diese modernisiert und ausgebaut werden. Zügig und flott werden die Züge dann fahren, die Passagiere in klimatisierten Abteilen, lesen statt schauen, schlafen statt warten. Gott, was wird dem Land dann fehlen!
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