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Auf dem Weg um die Welt


​...und zu allem was dazwischen liegt

Viel erlebt, nichts gemacht. Dubrovnik, Kotor und das Schicksal...

1/5/2017

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Wir fahren die letzten 200 Kilometer von Baska Voda bis Dubrovnik, ein wenig Wehmut liegt in der Luft. So haben wir unseren Mietwagen, ein Renault Clio in den letzten 2 Wochen als einen treuen, sympathischen Begleiter erfahren. Passend zum Abschied das richtige Wetter, es regnet fortwährend. Statt der Landschaft genießen wir es daher noch einmal, die eigene Musik im Radio eines Mietwagens zu hören. Es gibt wohl wenig Schöneres. Nur der Blick aus dem Seitenfenster entschädigt leider nicht wie erhofft. Grau und tief hängen die Wolken zwischen teils atemberaubenden Gipfeln, die Weite der Täler dazwischen lässt sich nur erahnen. Auf halber Strecke der nur wenige Kilometer lange bosnische Küstenabschnitt. Kurz den Pass aus dem Fenster halten, freundlich schauen, weiterfahren. Wenige Minuten später wiederholt sich das Spiel. Nie zuvor  waren wir nur so kurz in einem Land gewesen, das wird wohl auch länger so bleiben. Wir erreichen Dubrovnik in strömenden Regen. Das Ziel ist erreicht, von der Unterkunft jedoch keine Spur. Die muss, so schließen wir, in einer der Seitengassen liegen, die man, wie passend, nur zu Fuß erreichen kann. Also Auto abstellen und suchen. Natürlich! Parken ist leider Fehlanzeige, es ist Ostern. Was parken kann, parkt bereits. Mit Warnblinken stehen wir am Straßenrand und studieren die Karten. Der Weg muss kurz gehalten werden, auf engstem Raum präparieren wir uns für unseren Gang durch den Monsun. Nach 5 Minuten ist die Unterkunft gefunden, durchnässt, versteht sich. An der Tür bereits ein Zettelchen mit unserem Namen, die Tür offen. Erster Eindruck so naja, zum sich Trocknen reicht es.
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Es vergehen zwei Stunden bis wir uns wieder ins Freie trauen, ein wenig die Stadt erkunden und Auto umparken. Wir hatten uns zwischenzeitlich auf einen Privatparkplatz gestellt, ganz undeutsch, dafür recht kroatisch. Auf der Suche nach dem antiken Stadtkern Dubrovniks laufen wir ein wenig im Kreis, als wir ihn finden, reicht unsere Zeit gerade noch für ein warmes Baguette am Imbiss. Jetzt wo wir wissen, wo wir lang müssen, können wir auch morgen wieder kommen, denken wir uns.
Gesagt, getan. Der nächste Tag hält wesentlich besseres Wetter für uns bereit. Auch die Touristen sind wieder da. Waren sie je weg? Wir laufen unter der Stadtmauer hindurch und blicken auf die pittoreske Altstadt, ein langes gepflastertes Boulevard, gesäumt von Cafés und Geschäften. Als wir den Eintritt zur Besichtigung der Stadtmauer sehen, stockt uns der Atem. Umgerechnet 20 Euro. Für eine Stadtmauer! Spontan vergeht uns die Lust, wir flanieren lieber und beobachten. Die Altstadt ist nachwievor auffallend schön, trotz all der wunderschönen Altstädte, die wir bisher gesehen haben. Für die Besucher, die ihren Zugang hauptsächlich durch die Serie ‘Game of Thrones‘ erhalten haben, eine einzige Attraktion. Unzählige Möglichkeiten sein Geld loszuwerden. Beim Kaufen von Souvenirs oder dem Ablaufen der Drehorte genauso wie beim Halten von tropischen Papageien. Auch wir steuern zielgerichtet auf die ein oder andere Kulisse zu, die teils so markant ins Auge stechen, dass es weder Guides noch fotografierende Fans bräuchte, um sie zu erkennen. In einem Fanshop erfahren wir, dass sogar der neue Star Wars zum Teil hier gedreht wurde. Der Film ist noch nicht veröffentlicht, die Fanartikel, bedruckte T- Shirts, Tassen und anderer Klimbim dagegen schon. Auf manchen posiert Darth Vader mit Stormtroopers.
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Wirkt authentisch denke ich mir auf den ersten Blick, gelungenes Bild. Nur leider ist Darth Vader schon tot, seit 1983 wohlgemerkt. Nette Idee, die dem aufmerksamen Fan auch nach dem zweiten Blick zumindest ein Schmunzeln abverlangt...
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Obwohl auf einer in die Adria ragenden Halbinsel gelegen, liegt die historische Altstadt zugleich auf zwei Hügeln, die einiges an Beinarbeit fordern um vollständig besichtigt zu werden. Wie so oft, ziehen sich die Treppen und Gassen durch alte Fassaden, dicht bevölkert, dicht bewandert. Dort, wo sich früher noch die Menschen bei der täglichen Arbeit begegnet sind, wo man kochte, lebte, schlief, haben sich nun die Touristen eingenistet. Die Wohnungen, Kammenaden, die ihren Bewohnern zuvor vermutlich zu wenig Platz boten, wurden verwandelt in teure Apartments, deren schummriges, exklusives Flair sich nun aus der Beengtheit generiert. Behangene Wäscheleinen durchziehen die Gassen, als wären sie mehr Dekoration als Notwendigkeit. Auf den vielen kleinen Plätzen sammeln sich die Menschen, trinken und schwatzen. In der Mitte meist eine Statue, mit einer bedeutungsschwangeren Geschichte. Der Reihe nach werden die Touristen an ihnen vorbeigeführt und mehrsprachig aufgeklärt. Wir hören mit, staunen und haben das meiste hinter der nächsten Kurve schon wieder vergessen. Vielleicht sind wir benebelt vom frühjährlichen Orangenblütenduft, der in den engen Gassen steht. Wir durchlaufen auch das letzte Eckchen, bis wir einstimmig beschließen umzukehren. Gemächlich trotten wir zurück, diesmal auf geradem Weg, den Duft der Orangenblüte noch immer in den Nasen.
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Auch am nächsten Tag laufen wir noch ein wenig durch die Altstadt, finden die beste Aussicht, den besten Kaffee und den schönsten Sportplatz Kroatiens. Er liegt etwas abseits des Touristenstroms, der Blick durch das Absperrgitter gibt einen grandiosen Blick über die Dächer der Stadt frei. Über uns schielen die Touristen von der Stadtmauer auf uns herab. Gut, dass wir uns die verkniffen haben, denken wir uns. Wir investieren stattdessen in ein gemaltes Bild, welches wir uns andernfalls hätten verkneifen müssen. Abseits der Altstadt liegt ein Friedhof, der uns schon tags zuvor aufgefallen war. Ostermontags ist er gut besucht und reich geschmückt. Demütig laufen wir zwischen den Gräbern hindurch, die bis auf das letzte mit frischen Blumen belegt und behangen wurden. Ihre Grabsteine sind mehr Kunst als bloße Auskunft. Verlegen halten und fotografieren wir. Still und unauffällig. Wir möchten gern mehr fotografieren, nur die Scham hält uns zurück.
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Als wir anschließend am Busbahnhof die Tickets für die Weiterfahrt kaufen wollen, sehen wir uns abermals bestätigt ein Auto angemietet zu haben. 20 Euro pro Person für 2 Stunden Fahrt bis Kotor. Unfassbar aber alternativlos. Zähneknirschend zahlen wir. Als reiche das nicht, entgehen wir nur knapp unserer ersten Abzocke durch die Kassiererin. Nein, Dubrovnik überrascht uns trotz seiner nicht zu leugnenden Schauwerte nicht im Positiven, wird seinem Ruf als überteuerter Touristenmagnet mehr als gerecht.
Die Vielgereisten überrascht es mit der Zeit dagegen immer wieder, mit welchem Selbstverständnis, mit welcher Aversion zuweilen dem Touristen begegnet wird, wenn sich die lokalen Profiteure erst an den Tourismus gewöhnt haben. Warum freundlich sein, warum mehr tun als andern Orts, wenn der Zustrom unabhängig vom eigenen Verhalten völlig unbeeindruckt bleibt. Sicher, ein Verhalten, welches der Tourist an sich erzeugt. Vorallem dann, wenn man durch mehr an Geld auch mehr an Service erwarten darf. Dann werden diejenigen, die selbstgewählt weniger zahlen, als andere, schnell zu Touristen zweiter Klasse.
Wir warten auf besagten Bus. Dieser kommt, ganz selbstverständlich, eine halbe Stunde zu spät. Kein Problem, man hat Zeit, man hat Geduld. Als dieser dann kommt, wird man mit größtmöglicher Genervtheit, geradezu Unverschämtheit, bedient. Für 20 Euro wohlgemerkt. In Schlange drängt sich die eine Hälfte der Fahrgäste, meist Frauen, durch die Vordertür und besetzen die besten Plätze, während sich die andere Hälfte der Fahrgäste, meist Männer, um das Gepäckverladen kümmert. Ein bekanntes Prozedere. Eine Frau pflaumt Xenia von der Seite an, garstig und gierig, sie möge doch auch den Kamerarucksack im Gepäckraum verstauen. Dass sie das sicher nicht tun wird, pflaumt Xenia zurück. Vehement, unmissverständlich! Der Zwist versandet, bevor er richtig entsteht. Ein zusätzlicher, plötzlich erhobener Euro Gepäckabgabe pro Gepäckstück erklärt ihre Vehemenz. Wir grinsen und fahren. Die Tickets werden kontrolliert und entwertet, mit größtmöglichem Überdruss. Onlinebucher werden jetzt auch angepflaumt. Was für ein Glück, dass wir nicht online gebucht haben. Im Nachhinein ein Erlebnis, welches wir nicht so schnell vergessen werden, allein dafür hat es sich gelohnt. Was wohl wird, wenn erst Flixbus die Strecke für sich entdeckt. Dann geht die kroatische Busmafia wieder in den Untergrund, denken wir uns, grinsen und genießen das Leben.
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Angekommen in Montenegro laufen wir durch Kotor. Weltkulturerbe. Mal wieder. Ein Titel der langsam an Attraktivität verliert. Kotor, meist als der kleine Bruder von Dubrovnik bezeichnet, verdient diese Einschränkung. Scheint eher eine Werbekampagne. Die gleichnamige Bucht dagegen ist spektakulär. Wie ein Fjord schneidet sie sich in die eh schon rauhe Küstenlandschaft der östlichen Adria. Von ihren Steilhängen stürzen zahllose Bäche und Flüsschen die steilen Felswände hinab ins Meer. Aus der Ferne scheinen sie regelrecht senkrecht. Die Straßen an ihren Ufern sind zum Teil so eng, dass wir Angst haben buchstäblich ins Meer zu fahren. Keine Absperrung trennt See von Asphalt. Im Zweifel springt man als Fußgänger einfach, glauben wir. Lieber nass als tot! Die See schimmert blau und türkis, das Wasser scheint nicht sehr tief. Die Farbe suggeriert ultimative Klarheit und Sauberkeit, ein Schein der mittlerweile trügt. Bei genauerer Betrachtung ist gar nichts sauber in Montenegro, weder die Natur, noch die Industrie. Auch die Bauruinen häufen sich, Hotelbaracken. Neu bauen scheint hierzulande billiger als Restauration oder Abriss. Wir hoffen auf steigende Grundstückspreise, der Umwelt zuliebe. Bis dahin versperren die exponiert gelegenen Skelette von Hotelkomplexen längst vergangener Tage die Sicht auf eine Natur, die man nicht so häufig sieht. Wir würden diese Skelette noch häufiger sehen in Montenegro. Wann hat deren Zerfall begonnen? Anscheinend in einer Zeit gebaut, in der es bereits Tourismus gab und in der sich die Erhaltung lohnte. Es muss also ebenso eine Zeit gegeben haben, in der nicht mehr gepflegt und erhalten wurde.
Dennoch putzt sich Kotor heraus, mal ganz abgesehen vom wechselseitig wandernden Müll im Meer und in der Landschaft. Keine Strasse in der unmittelbaren Altstadt, in der nicht gebaut und saniert wird. Der Sommer kommt. Mit ihm die Schiffe. Und mit denen die Touristen. Einen Vorgeschmack liefert der nächste Tag. Der Dampfer, der sich in der Bucht platziert hat, ist so gewaltig, dass man die dahinterliegende Altstadt nichteinmal erahnen könnte, wüsste man nicht, dass sie da ist. Ein Anblick, der schlicht spektakulär ist. Der Kai für die ganz dicken Brocken, liegt unmittelbar vor dem Altstadttor. Bequem für die anlandenden Passagiere, schlecht für die Augen. Mal ganz abgesehen von der Umweltproblematik. War das kleine Erbe gestern noch angenehm beschaulich gewesen, bevölkern nun Hundertschaften die Gassen, besetzen die Bänke, Stühle, Tische und nerven die Bauarbeiter. Vermutlich treten sich die Passagiere an Bord nicht so auf die Füße, sinnieren wir.
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Halb so wild, wir sitzen abseits der Menschenmassen und weit am Hang. Hier hat man noch seine Ruhe. Das denken auch unsere Tischnachbarn. Und deren Nachbarn. Wir beobachten die Menschen, führen Notizen und Xenia ihr kleines Tagebuch. Der Kaffee schmeckt in solchen Momenten meist noch besser, als eh schon. Bemerkenswert, wie lang sich so ein Tässchen Brauner ziehen kann. Die Gedanken sprühen auch wieder. Wir hatten uns ja mal vorgenommen, unsere Geistesblitze zu Papier zu bringen, bevor es sich meist kurz darauf wieder ausgeblitzt hat. Irgendwie macht man es viel zu selten. Allein der Vorgang des Block-und-Papier-Rausholens löscht meist schon die zartesten Gedanken. Wenn einem alles egal wäre, würde man es einfach in sein Handy quasseln. Wie so ein richtiger Literat. Allerdings würden wir dann stärker als solche wahrgenommen und möglicherweise kritischer betrachtet werden. Es ist ein Teufelskreis. Eigentlich müsste es doch jedem so gehen, spekulieren wir. Wer weiß welch hohe Philosophie jedem einzelnen Erdenmenschen  so schon entgangen ist, welche bewegenden Gedanken schon vergessen und schließlich der Welt vorenthalten wurden. Wir nehmen uns vor, unsere Geistesblitze wieder konsequenter zu konservieren, notieren es und vergessen es bald darauf.
Um uns ein wenig zu zerstreuen, haben wir  für uns noch das kleinste bisher besichtigte Museum ausgesucht. Versteckt in einem Hinterhof gelegen, öffnet es die Tore schon für einen Euro und exponiert in zweieinhalb Räumen – das Katzenmuseum. Ein von einem Italiener gegründetes Projekt, das sich aus den Museumserlösen finanziert und den zahlreichen streundenden Katzen von Kotor gestiftet ist. Wir erhalten gemeinschaftlich zwei laminierte DIN A3 Bögen in deutscher Sprache, die uns die einzelnen Schaukästen erklären. Von ersten Erwähnungen aus Büchern, vorbei an Postkarten, Illustrationen und Zeitungsausschnitten. Alle zum Thema Katze. Sympathisch und durchaus unterhaltsam.
Xenia plagt der Zahn. Eine dicke Beule begleitet sie nun schon seit Tagen. Die Recherche deutet zunehmend auf eine entzündete Zahnwurzel hin. Weil wir als Weltreisende selbstverständlich auch kleine Mac Gyvers sind, spült sie bereits fleißig mit Vodka. Spülen, nicht trinken! Eine Lösung, keine Kur, wie wir spätestens in Kotor beschließen. Unsere fachkompetente Verwandtschaft hat uns bereits erfolgreich ins Gewissen geredet. Ein Zahnarztbesuch scheint daher unumgänglich. Dennoch müssen wir weiter. Es ist eh Samstag, so fahren wir bis Niksic, Ausgangspunkt zum Ostrog Kloster. Im Bus treffen wir Omniya, eine vielgereiste Ägypterin. Man schwatzt, tauscht aus, gibt Tips. Sie ist bereits erfolgreiche Instagram Bloggerin und erreicht Followerzahlen, von denen wir nur träumen können. Mit 26 hat sie schon viel gesehen und noch mehr auf ihrer Liste, vier Jahre ist sie schon unterwegs, vier weitere sollen es werden. Erstaunlich finden wir es, kommt sie doch aus einem Kulturkreis, für den andere Kulturen zuweilen weniger Verständnis haben als wir. Einer Kultur, für die es sicher noch außergewöhnlicher erscheint, sich losgelöst vom Korsett der Tradition oder der beschützenden Kontrolle der Familie völlig auf sich gestellt die Welt so zu sehen, wie nur die eigenen Augen sie überliefern. Witzig, sinnieren wir, wo doch die Araber an sich auch Entdecker waren. Der Bus schlängelt sich derweil auf immer enger werdenden Straßen an Berghängen entlang, die uns entfernt an Nepal erinnern. Passend dazu die Umrisse weißer Gipfel in der Ferne, die wir zuerst für Wolken halten. Nichts da, die kühlen Tage zuletzt haben ordentlich Schnee in die Berge getragen, wie wir uns wenige Tage später selbst überzeugen würden. Die Gegend bleibt gebirgig, auch als wir wieder bergab in Richtung Podgorica fahren. Der Shkodar See fliegt derweil türkisblau an unseren Fenstern vorbei. Als wir ankommen, schläft Omniya schon. Das wird sie auch noch länger, ihr Ziel lautet Mostar. Wir dagegen sind froh schon so früh anzukommen. Niksic bietet uns genau das, was wir erwartet hatten. Nichts. Eine beliebige Stadt, eintönig und grau. Nichtsdestotrotz beziehen wir unser Quartier, dass im Gegensatz zu seiner Lage mit größtmöglicher Hingabe eingerichtet wurde. Wie so oft steigt die Gastfreundschaft mit der Wertschätzung der Gastgeber. Man ist sich sofort sympathisch.
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Zum Ausgangspunkt unserer kleinen Wanderung am nächsten Morgen fahren wir im Zug. Der ist modern, günstig und zu spät. Ein Euro für eine halbe Stunde Fahrt entschädigen die Wartezeit. Das angepeilte Kloster ist eines der wichtigsten Pilgerziele in der orthodoxen Christenwelt und liegt, bezeichnenderweise hoch oben in den Berghängen.
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Das heißt für uns nur bergauf. Steigt der Weg zu Beginn nur gemächlich an und gleicht damit eher einem ambitionierten Spaziergang, gibt uns die letzte halbe Stunde Aufstieg sprichwörtlich den Rest. Kein Wunder, dass Taxis hier Hochkonjunktur haben, denken wir uns, während wir uns im Nieselregen an die Seite setzen und rasten. Bis wir uns vollständig regeneriert haben, ist eine weitere halbe Stunde vergangen. So durchforsten wir das Kloster, welches weiß und überschaubar in den Berg gebaut wurde. Wir schleichen uns durch alle Stockwerke, immer darauf bedacht, nicht beim Fotografieren bemerkt zu werden. Die Hinweisschilder waren da recht deutlich. Dies empfinden wir, als auch alle anderen Besucher als geradezu schikanös, spätestens im dritten Stock haben wir alle Verbote vergessen und knipsen ungeniert. Als wir wieder auf die Uhr schauen, sind gut anderthalb Stunden vergangen.
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Der ebenso lange Rückweg steht an, sofern wir den einzigen Zug an diesem Tag zurück nach Niksic nicht verpassen wollen. Wir erreichen das Gleis pünktlich auf die Minute, warten danach aber wieder eine Stunde auf den Zug. Vielleicht würfeln die ja die Abfahrtszeiten, meine ich zu Xenia. Die schmunzelt gekonnt. Einig sind wir uns dennoch - wenn wir von vornherein eine Stunde später gekommen wären, hätten wir den Zug verpasst. Schicksal...
Dieses bestimmt unseren nächsten Tag, den wir noch ewig im Gedächtnis behalten werden. Xenia hat ja immernoch ihren maladen Zahn. Heute, am Montag, soll er ausgemerzt werden. Der anfangs auserkorene Arzt öffnet allerdings erst am Nachmittag, das ist uns zu spät. Denn Zeit ist auch für den Backpacker Geld. So stehen wir pünktlich frühs um 9 Uhr vor der Arztpraxis der Konkurrenz um die Ecke. Wir warten. Wieder. Andere Patienten kommen. Die warten dann mit. Langsam muss ich auf die Toilette, war mir zuvor die Uhr doch wichtiger gewesen als meine Blase. Als diese nach einer knappen halben Stunde beinahe platzt wie auch meine Geduld, empfehle ich Xenia, ohne mich weiter zu warten und gehe schnell zurück. Wo ich gerade da bin, kann ich ja noch schnell im Email Postfach nach unserer Versicherungsnummer schauen. Geht dann schneller, denke ich mir. Nichts da! Der Computer streikt. Sieht böse aus. Alles beten und hoffen nützt gar nichts, frustriert gebe ich auf und laufe zurück zum Arzt. Statt auf dem Behandlungsstuhl treffe ich Xenia vor der Praxis. Immernoch wartend. Schockiert erzähle ich von unserem neuesten Opfer. Offensichtlich ist das Betriebssystem platt. Dies lagert auf der Festplatte, eines von beiden muss es sein. Wir beschließen, in Niksic nach Hilfe zu suchen. Im Fachgeschäft unserer Wahl stellt man uns Hilfe in Aussicht, allerdings würde das ein paar Stunden dauern. Der fachkompetente PC Fuzzi würde sich drum kümmern, sobald er da sei. Wir müssten solange warten. Gut, dann können wir jetzt auch verlängern und zu dem anderen Arzt gehen, sofern der dann aufmacht. Das tut er wirklich, ist ganz erstaunt über den Walk in. Auch wenn wir nicht vorgesehen waren erklären wir unsere Lage und er sich bereit, sich den Schlamassel einmal anzuschauen. Auf dem Behandlungsstuhl liegt bereits eine andere Patientin, die muss derweil wieder stehen. Wir sind gerührt, er röntgt. Der Befund ist schockierend, natürlich. Bereits fortgeschrittener Abbau des Kieferknochens, schwierige Behandlung und von ihm nicht zu machen. Er überweist uns an eine Spezialistin in der Hauptstadt, kontaktiert sie für uns und verzichtet anschließend auf jegliches Honorar. Zu allem Überfluss schreibt uns der PC Laden, sein PC Fuzzi sei nicht erreichbar. Morgen vielleicht. Frustriert nehmen wir den Rechner wieder mit. Wir haben ja zum Glück noch unsere Smartphones. Ohne die wären wir wohl wirklich aufgeschmissen. Schöne neue Welt. Unser Gastwirtin empfängt uns derweil mit Schnaps, selbstgebrannt. Wir nehmen dankend an.
Am nächsten Tag liegt Xenia schon auf dem Behandlungsstuhl in Podgorica. Freundlichst empfangen von Zana, der gutaussehenden Paradontologin, die uns vor ihrer Praxis empfängt. Es folgt die Wurzelbehandlung, entkernen und neu verfugen, oder so ähnlich. Nach zwei Stunden ist sie durch das Gröbste, Glück habe sie gehabt. Ohne die Infektion, wäre der Kieferabbau vermutlich gar nicht aufgefallen. Dann hätte irgendwann der Zahn im Apfel gesteckt, oder wo auch immer. Wir bedanken uns und verständigen uns auf ein Wiedersehen. Derweil gehen wir in den neuen Computerladen. Dessen PC Fuzzi ist sogar da und absolut sachverständig. Es kostet ihn zehn Sekunden, einen Piekser mit der Büroklammer wohin auch immer und der Computer sagt ihm von selbst, seine Festplatte sei kaputt. Eine Viertel Stunde später haben wir die nächste traurige Gewissheit. Die Daten sind nicht zu retten, aber wie so oft bei gehäuften schlechten Nachrichten, verliert sich deren Brisanz mit der Anzahl. Erst in den kommenden Tagen wird uns klar werden, was wir da eigentlich alles verloren haben. Bilder, Programme und sehr viel Zeit. Unersetzt, weg für immer... Naja, was soll’s. Gehen wir erstmal essen, sagt die Vernunft, während der Magen schweigt und die Festplatte getauscht wird. Im Geschäft um die Ecke grüßt uns Fadil, als ob er uns schon ewig kenne. Sehen wir wirklich so deutsch aus? Jedenfalls braucht es genau zwei Sätze, um unsere Herkunft zu bestimmen. Ob wir Hunger hätten, ihm folgen wollen? Gleich um die Ecke läge sein Haus, da könnte man entspannt Kaffee trinken, schwatzen, speisen. Überraschenderweise hätten wir tatsächlich Hunger, wie die Lokalität verrät. Wir folgen, was könnte uns jetzt noch passieren... Sein Kollege sieht beinahe deutsch aus und ist doch Kosovare, mit einem Draht zur Wettmafia. Er dagegen ist Albaner und hat sich von seinen in Deutschland erarbeiteten Auslösen ein stattliches Haus in die vornehmere Nachbarschaft gebaut. Bescheiden geschäftsmännig ist er aber in die Garage gezogen. So erzählt er uns von seinem Vorhaben die deutsche Botschaft einzuquartieren, von seiner ostdeutschen Ex Frau, seinen Ex Kindern, seinem Ex Leben. Ein lustiger Geselle ist er dennoch, legt uns Albanien ans Herz, wie viele andere in den vergangenen Tagen. Wir verquatschen uns, werden zwischenzeitlich von jedem Nachbar einmal begrüßt und sitzen schon bald bei einem davon. Jetzt aber schnell, bemerken wir beim Blick auf die Uhr. Der Computerladen hat sicher schon zu! Ein schneller Abschied, Hände schütteln, Nummern tauschen. Tatsächlich sitzt der Computermensch frustriert in seinem bereits abgeschlossenen Büro. Seine Freundlichkeit verbietet eine allzu schroffe Behandlung, die wir durchaus hätten nachvollziehen können. Wir danken. Für den Arbeitsaufwand will er kein Trinkgeld, hat er uns doch gleich jedes nützliche Programm vorab installiert. Wir geben es dennoch und fühlen uns beinahe schlecht dabei. Außergewöhnliche Menschen in Montenegro. Mögen sie so bleiben!
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Der Bus schlängelt sich wieder die Straßen ins Gebirge hinauf. Der zweite wohlgemerkt. Der erste war schon kurz nach der Abfahrt in Niksic hustend und würgend liegen geblieben. Während der Busfahrer alles probiert, hofft und betet, das Biest wiederzubeleben, hoffen die Passagiere er möge sterben, der Bus. Das Standgas ist bereits jetzt das Stärkste, zudem dieses Vehikel fähig ist. Wie will es dann vollbesetzt die kurvigen, steilen Straßen nach Zabljak im Durmitor Massiv bezwingen, zweifeln wir. Letztendlich bleibt es beim Versuch. Ein neuer Bus ist schnell gefunden. In dem sitzen wir und genießen wiedereinmal die Landschaft. Es dauert nicht lang, bis Schnee am Straßenrand liegt. Getürmt in tauenden und schmutzigen Häufchen. Zabljak, Ausgangsort zum Durmitor Nationalpark und der Tara Schlucht stellt sich als ansehnliches kleines Städtchen heraus. Nette Unterkünfte, nette Menschen. Wir sind zu müde, um uns noch viel anzusehen. So kochen wir, essen und schlafen.
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Der schwarze See liegt idyllisch vor dem Kegel des Bobotov Kuk, der sich in dem dunklen Seewasser spiegelt. Seinen Namen trägt er also zurecht, das Wasser sieht weder warm noch einladend aus. Nicht groß und dennoch schön ist er, der See. Seine Ufer sind bewaldet, die Hänge steil. Gemächlich umrunden wir ihn, treffen immer wieder auf andere Backpacker, Wanderer, Trailrunner. Zum Glück sind wir in der Nebensaison hier,  sämtliche Hotels Zabljaks gaben uns schon einen Vorgeschmack auf den zu erwartenden Ansturm in der Hauptsaison.
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Im Anschluss bringt uns ein Taxi zur Tara Schlucht. Die Straße durch den Wald hätten wir eh nicht gefunden. Den Weg zurück dagegen schon. Wir glauben es erst, als uns der Fahrer noch einmal Mut zuspricht. Das hätten andere schon geschafft, und wenn wir uns auf den 10 Kilometern zurück wirklich verliefen, könnten wir ihn ja anrufen. Er würde uns schon finden (im Wald). Ein wahrer Optimist! Doch soweit wollen wir es nicht kommen lassen. Wir blicken ihm hinterher, als er wieder im tiefen Geäst verschwindet und erklimmen die letzten Höhenmeter zum Ausblick auf die tiefste Schlucht Europas. Der Grand Canyon sei nicht wesentlich tiefer, nur um ein Vielfaches größer, erfahren wir. Jedenfalls bleiben wir lange, genießen und staunen. Sitzend, auf einer Holzbank, die so nah an den Abgrund gebaut wurde, dass wir uns, nur um ganz sicher zu sein, fortwährend daran festhalten - auch während wir sitzen. Die Sinne rebellieren bereits, signalisieren Unbehagen, ein seltsames Gefühl. Denn wir würden ja diesen einen Meter bis zum Abgrund nicht gehen. Gewarnt sind wir trotzdem. Vereinzelt liegen die Häuser und Höfe in und um die Schlucht, ganz im Schatten bereits die Tara. Jener Fluss, der die gleichnamige Schlucht schuf und der dennoch so winzig, so tief dahinfließt, dass es beinahe absurd scheint, die Natur könne so etwas leisten im Laufe der Jahrtausende. Wir wollen unser Glück der letzten Tage nicht herausfordern, zwei Stunden Weg durch den spärlich von Bären und Wölfen bevölkerten Wald steht uns noch bevor. Wir würden keine sehen, gefreut hätten wir uns wohl eh nicht. Trotz unserer Begeisterung für die in der Heimat schon längst vergangene, vertriebene Fauna. Ein kurzer Besuch war es gewesen. Am Abend schaffen wir es kaum noch in die Betten, so spüren wir unsere Beine.
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Abermals würden wir morgen nach Padgorica fahren, zurück zur Zahnärztin, die lange noch nicht fertig ist mit Xenia und ihrer Behandlung. Kontrolle, Nachbehandlung, Abrechnung. Am Ende würden wir dennoch glimpflich aus der Geschichte rauskommen, ganz davon abhängig, wie unsere Versicherung die Geschichte aufnehmen wird. Und doch sind wir dankbar. Wer weiß schon, ob Xenia überhaupt den Weg auf Zanas Stuhl gefunden hätte, wenn der Computer nicht am gleichen Tag den Dienst verweigert hätte. So viele (professionelle) Paradontologen gibt es sicher nicht in Montenegro, dem 600 Tausend Einwohner Staat. Gut möglich, dass ein anderer Arzt nur die Symptome, aber nicht die Ursache behandelt hätte. Denn wie wir selbst in Australien feststellen mussten, genießen Zähne (vorzugsweise gesunde) nur in wenigen anderen Ländern eine ähnlich hohe Wertschätzung wie in Deutschland. Inzwischen sind wir samt aller unserer verbliebenen Zähne nach Albanien gereist und haben unvorhergesehen 10 Tage in einem Land, knapp halb so groß wie Brandenburg verbracht. Wenn jetzt der Computer noch hält, sind wir ab sofort wieder glücklich, auch ganz ohne Eis und Trostpflaster. Wir melden uns alsbald möglich. Bis dahin, guten Biss!
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