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Auf dem Weg um die Welt


​...und zu allem was dazwischen liegt

Im Land der Adlersöhne...

12/5/2017

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An der Grenze steht der Verkehr schon seit einer gefühlten Ewigkeit. Das wird nicht unbedingt besser, wenn sich von hinten immer wieder Neunmalkluge anschleichen, sich vordrängeln und im allerletzen Moment in die Reihe einscheren. Selbst Gegenverkehr scheint sie nicht aufzuhalten, muss der dann halt auch warten. Man wünscht sich ein militantes Gegenhalten der Fahrzeugkolonne. Fantasiert, Waffengewalt möge die Brüder überzeugen sich ordnungsgemäß anzustellen, wie alle anderen auch. Aber nein, sie kommen immer durch, die dicken und dreisten. Unser Busfahrer ertägt es mit stoischer Ruhe, er scheint das Prozedere zu kennen. Die ganz miesen fahren bis fast zum Grenzhäuschen, meist dicke schwarze Karossen. Dann kommt ein Grenzer in aller Ruhe angetrabt, man öffnet das Fenster, spricht ein paar Worte, überreicht den Pass oder was auch immer und siehe da. Wo vorher kein Platz war, entsteht aus dem Nichts eine Lücke. Obwohl es unmöglich scheint, erreichen wir irgendwann unser zuständiges Grenzhäuschen. Der Busfahrer öffnet die Tür, sofort werden ihm Befehle in einer Lautstärke entgegen geschnauzt, die auch wir locker hätten vernehmen können, sprächen wir doch doch nur Albanisch. Er sammelt unser aller Pässe ein und übergibt sie dem Giftzwerg im Grenzerhäuschen. Aussteigen unnötig. Nach ein paar Minuten kommen alle Pässe wieder zurück. Keiner der kommt oder schaut. Das nennen wir mal einen Grenzübertritt.
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Albanien scheint auf den ersten Blick wirklich weit weg von Europa zu sein. Hier laufen die Uhren wirklich anders, beinahe ein wenig asiatisch. Die Straßen sind nicht weniger oder mehr geschäftig als in unseren Breitengraden, dennoch hat das Leben hier eine eigene Geschwindigkeit. Das Nichtstun scheint weniger besorgniserregend, das reine Gewissen hält auch beim Warten auf was auch immer. Nicht immer etwas tun zu müssen, ist eine Eigenart, die man sich gern abschaut, als Deutscher. Entspannt zu sitzen und zu schauen, was passiert. Im Kopf zu rasten. Klingt so einfach, ist in der Praxis wesentlich schwerer. Aber auch hier befindet sich wohl nur noch das halbe Land in gedanklicher Rast. Freilich hängt das Land dem europäischen Durchschnitt mächtig hinterher, hat es doch jahrzehntelangen Stalinismus der härtesten Gangart zu verarbeiten. Enver Hoxha, kommunistischer Führer Albaniens führte das Land kontinuierlich in die Isolation und wirtschaftliche Stagnation. Beinahe jeder Albaner hat bis zum heutigen Tage eine mehr oder weniger witzige Geschichte über die Eigenarten des verhassten Diktators zu berichten, die sich aus der Ferne ein wenig nach den Kims aus dem fernen Nordkorea anhören. Bunkerbau, beschriftete Bergmassive, philosophisch verklärende Publikationen. Oder die Geschichte mit den afrikanischen Fernsehbeiträgen, welche eine noch ärmere Gesellschaft zeigen sollten. Angesichts dessen erscheint der Fortschritt der letzten 15 Jahre beachtlich.
Der Bus hält in Shkoder. Kaum ausgestiegen bieten uns unzählige Taxifahrer ihre Dienste an, wir lehnen reflexartig ab. In deren Augen völlig unverständlich angesichts unseres Gepäcks. Aber das kennen wir ja schon. Gepäck zu schleppen, und sei es nur für ein paar Meter, passt einfach nicht in die Wahrnehmung der lokalen Bevölkerung. Glücklicherweise hat Omniya, die wir wenige Tage zuvor kennengelernt hatten, auf ihrem Blog die nützlichsten Apps für Backpacker aufgelistet. Einige haben sich als wirklich hilfreich herausgestellt. So zB  Maps.me! Damit finden wir ganz ohne Navigation stets unsere Unterkünfte, sofern sie in Laufweite liegen. Ein wenig sehen wir aus wie Schatzsucher oder Schnitzeljäger, den Blick streng nach unten auf das Smartphone gerichtet, komme was wolle. An Backpacker hat man sich hier, so nah an der Grenze zumindest gewöhnt. Man grüßt uns, lächelt, schaut und ruft. Schon am dritten Kaffee bietet man uns unverblümt Haschisch an. Nicht etwa dezent durch die Hintertür, nein lauthals über die Straße rufend. Wir lächeln und laufen weiter, also wirklich... Die Autos sind auffallend schmutzig, und zwar alle. Neu wie alt. Der Staub hängt schwer in der Luft. Unsere Nasen springen automatisch auf kurze, stumpfe Atemzüge um. Ein beunruhigender Gedanke, zugegebenermaßen. Allerdings kann ich nicht glauben, dass Albanien jetzt soviel schmutziger ist als Montenegro, und da waren die Autos noch sauber. Erst später würde man uns erklären, dass ein mit Saharastaub beladener Regenguss über der Küste niedergegangen war. Auch eine Erklärung. Auf den Höfen sammelt sich meterhoch der Müll, der Wildwuchs versucht sein bestes, die Sauerei zu kaschieren, die kaum zu übersehen ist. Wir sind inzwischen abgehärtet und abermals schockiert. Wird es jemals eingesammelt werden, das ganze Plastik? Wenn ja, von wem? Ganz im Kontrast kreisen in den Höhen majestetisch die Adler, unvermutet, aber dennoch unverkennbar. Beinahe symbolträchtig das hiesige Wappentier schon am ersten Tag zu sehen. Wie sollte es auch anders sein im Land der stolzen Adlersöhne. ‚Shqipeteri‘ – Albanien in der Landessprache.
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Das Hotel ist schön, ein wenig Ostblockcharme, dafür quitschbunt. Aufgeräumt, sauber, mehr brauchen auch wir nicht.  Im Hinterhof parken die Pferde bereits vor die Karren gespannt, kauen und starren in die Umgebung. Tagein, tagaus. Ihre Besitzer spielen um die Ecke Karten. Deren Frauen vermuten sie vermutlich bei einer geschäftigen Aufgabe. Sie verlassen frühs ihre Häuser, verabschieden sich, sind den ganzen Tag weg und kommen am Abend geschafft und gezeichnet wieder, stellen wir uns vor. Staubig von den Straßen, statt vom Felde. Der letzte Regen kam daher wohl wie gerufen, hat er doch einen besonders harten Arbeitstag simuliert... Der Hunger treibt uns zurück in die Stadt. Anfangs sind wir noch auf der Suche nach authentisch albanischem Essen, stellen uns kleine Straßenstände vor, bei denen wir ungekannte Köstlichkeiten bestellen. Die Pizzaläden lassen wir ein ums andere Mal links liegen, bis wir endgültig einsehen, dass sich authentisch albanisches Essen in Shkodra ausschließlich in Pizza erschöpft. Die ist noch nicht einmal schlecht und natürlich halal, wie wir feststellen. Wir laufen in die Fußgängerzone, die hübsch hergerichtet wurde. Kaum darauf eingebogen, sehen wir uns umringt von anderen Touristen, die wir zuvor in der Stadt nicht wahrgenommen hatten. Entspannt sitzen sie in den Cafés, trinken starke türkische Kaffee und rauchen kollektiv.
So dauert es nicht lang, bis auch die Roma auf uns aufmerksam werden. Die sind in Albanien, das kann man unvoreingenommen feststellen, wesentlich häufiger anzutreffen als noch zuvor in den anderen Ländern des Balkans. Beschränkt auf wenige bis gar keine Tätigkeiten erfüllen sie so ziemlich jedes Klischee, das ihnen unerbittlich vorauseilt. Was ihnen bleibt, ist den Männern der Tagelohn, den Frauen das Betteln, vorzugsweise mit Kind auf dem Arm. Sobald die Kinder dann selbst laufen und sprechen können, machen sie das gleiche. Es ist ein Trauerspiel. Fast haben wir sie passiert, als einem besonders Aufmerksamen, dann doch unserer verräterischer Rucksack auffällt. Reflexartig der Schrei: ‚Touristi!‘ Er kommt auf uns zugestürmt und bedrängt uns derart vehement, dass wir ihn am liebsten  verscheuchen wollen, statt es einfach auszuhalten. So unmissverständlich der eigenen Doppelmoral überführt zu werden, ist vermutlich der eigentliche Anstoß des Hasses, der dieser Volksgruppe seit Jahrhunderten entgegenschlägt. Es ist noch nicht einmal der Unwille, etwas zu geben, das man nur hat, weil man auf der richtigen Seite der Welt oder Gesellschaft geboren wurde, sondern vielmehr das Gefühl des Drangs zur Wiedergutmachung dessen, das die Aversion erklärt. Im Gespräch mit unseren exjugoslawischen Exkollegen fiel so manche kreative Idee zur Problemlösung. Die findet man im fernen Deutschland zumeist eher krass als vernünftig. In Albanien ist das schon eher verständlich. Da verbietet sich nämlich der  belehrende Betroffenheitsblick des Wohlstandseuropäers, der sich gern über das Leid in der Welt ereifert, sofern es nicht vor der eigenen Haustür steht. Integration hat man hier vermutlich aufgegeben. Zwecklos erscheint sie, würde sie ja auch verlangen, dass sich die wenigen  Integrationswilligen von ihrer eigenen Volksgemeinschaft lösen. Von Freundeskreis, Familie, Kultur, die sie letztendlich wieder in alte Verhaltensmuster zwingen.  Ressentiments als auch Erfahrungen, die sich mit gutem Willen allein nicht überbrücken lassen. Man ändert sie weder mit Mitleid noch mit unangebrachten Spenden. Traurig die Welt, traurig der Spiegel, den sich viele auch heutzutage in West- und Mitteleuropa großzügig vorenthalten. So bleibt ein Stein im Magen, ein dumpfes Gefühl der Ohnmacht, das man erträgt und doch nicht leugnen kann, anerkennend, dass ihre Steine dann doch noch erheblich größer sein müssen.
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Wir laufen zur Rozafa Festung. Die ist ein wenig außerhalb der Innenstadt gelegen und zwingt uns so zu einem beschaulichen Spaziergang durch die Mittagshitze. Es herrscht ein geschäftiges Treiben, gemessen an Balkan Geschwindigkeit wohlgemerkt. Vorallem werden die Nachwirkungen des Sahara Sandregens beseitigt, Mercedesfahrer zuerst bedient. Was dem Türken der BMW ist, scheint dem Albaner der Benz zu sein. Manchmal sehen sich die Klischees eben doch bestätigt. Schmunzeln müssen wir immer wieder über die aufgeklebten Sterne, die zum Teil sogar die Mofas zieren. Aber das kennen wir ja schon aus anderen, vorrangig muslimischen Ländern, da hat das deutsche Auto eben den besagten Stein im Brett. Und das vielleicht nur, um in der Reinigungsreihenfolge dann doch wieder vorzurücken. Die dicksten Benze glänzen bereits wieder.
Es ist Sonntag. Zu erkennen an den vielen Touristen, vorzugsweise Albaner, die sich schon wenige Meter unterhalb der Festung verdichten. Wochenendausflügler, die sich für das Familienalbum zu gern in traditioneller Tracht fotografieren lassen. Reihenweise ziehen die Hochzeitspaare mit ihren Fotografen an uns vorüber. Ein Foto vor dem Tor, lächeln, fertig. Weiter zur Mauer, Foto, fertig.  Kurz und knapp, die anderen Paare warten schon. Wann immer sie eine größere Menschenmenge passieren, wird rhythmisch geklatscht. Wir klatschen mit, allerdings mit jedem weiteren Paar ein wenig kürzer. Überrascht sind wir dennoch, auch andere Sprachen neben dem Albanischen zu hören. Shkodra scheint dann doch ein wenig internationaler, als wir es noch im Zentrum vermutet hatten. Die Aussicht auf die nähere Umgebung ist immernoch grandios. Weniger Shkodra, welches sich staubig zu Füßen der Festung ausbreitet, als vielmehr die immernoch bemerkenswert hohen Berge, welche das Tal begrenzen und der gleichnamige See, der in der Ferne im eigenen Dunst verschwindet.
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‚Tirana, Tirana, Tirana...‘ Mantraartig wiederholt der Fahrer das Ziel, der gleichzeitig als Ausrufer fungiert. Wir sitzen bereits im Bus und fragen uns, ob das Rufen denn wirklich etwas bringt. Wer nach Tirana fahren will, würde doch sowieso in den Bus finden. Wir schmunzeln bei dem Gedanken an die Passanten, die plötzlich wirklich, ganz spontan in die albanische Hauptstadt fahren wollen. ‚Tirana, Tirana!‘ Gleicher Tonfall, gleiche Lautstärke, immer und immer wieder. Beeindruckend! Vielleicht bewirkt es etwas auf einer hypnotischen Ebene. Der Bus füllt sich Platz um Platz. Ehe wir uns versehen, ist der Bus bis auf den letzten Platz belegt und startet. Wenig später tippt uns der Busbegleiter freundlich auf die Schultern, wir müssen wohl eingenickt sein. Tatsächlich befinden wir uns eine gute Stunde später kurz vor Tirana, an jener Abzweigung, um die wir zuvor um Auslass gebeten hatten. Die Festung Kruja, Wirkungsstätte und Adelssitz des albanischen Nationalhelden Skanderbeg ist unser Ziel. So bedeutsam, dass sie es samt ihres Protagonisten auf die 5000 Lek Note geschafft hat. Genauso wie unsere Unterkunft, die mitten in der Festung liegt. Dies bedeutet für uns allerdings einen weiteren Aufstieg in die Berge, der mit unseren Rucksäcken kaum zu bewältigen ist. Wie wir erwartet hatten, stehen schon die Taxis unmittelbar am Haltepunkt neben der Bundesstraße. Ob wir eines bräuchten, werden wir höflich gefragt, während der Begleiter noch unser Gepäck unter dem der anderen Reisenden hervorzieht. Für uns erfahrungsgemäß eine angespannte Situation, die sich irgendwo zwischen ‚Reise nach Jerusalem‘ und ‚Schwarzer Peter‘ abspielt.  Also gleichermaßen die Chance als erster das ersehnte Taxi zu erwischen, oder es zu verpassen und zum Warten verdammt zu sein. Offensichtlich sind wir die einzigen, die aussteigen. Gut für uns - die Musik spielt also noch. Wieviel das Taxi den kosten solle, die 5 Kilometer den Berg hinauf, fragen wir. Ein Junge neben dem Taxifahrer übersetzt. 15 Euro will er haben, erfahren wir schockiert. Wir spielen mit, lachen offen. Höchstens 500 Lek, lassen wir zur Antwort übersetzen. Vielmehr seien wir gerade für 600 Lek zu zweit von Shkodra hierher gefahren. Ok, vielleicht zehn... Der Junge schaut beschämt. Gestikuliert entschuldigend, als wären es seine Preise. Sie warten weiter, während wir unser Gepäck bereits durch die staubige Hitze schleppen. Mitfühlend und freundlich interessiert verfolgen uns die Blicke der Verkäufer und Passanten. Auf dem Weg werden wir gleich dreimal angesprochen, wir hätten es fast geschafft. Nur wenige Meter später ist unser Ziel vorerst erreicht. Unsere Rucksäcke werden hektisch verladen, wir auch. So quetschen wir uns in die letzte Reihe. Beinahe entsteht ein Raumgefühl, wie wir es aus Südostasien kennen. Fünf Sitzreihen in einem Sprinter, der deutsche Ökonom würde applaudieren. Nur, dass es exakt so viele Mitfahrer wie Plätze gibt. Für fernöstliche Ökonomie wäre da durchaus noch Spielraum.
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Emiliano geleitet uns in unsere Gemächer. Er hat einen italienischen Hintergrund, wie so viele hier. Das angebotene Zimmer übertrifft unsere kühnsten Erwartungen. Drei Räume, behangen mit Bildern, Werkzeug, Schmuck. Ein wenig kitschig, aber immernoch authentisch. Der Blick aus dem Fenster offenbart die exponierte Lage in den alten Burgruinen. Spontan verlängern wir um zwei weitere Nächte. Kruja hat neben Emilianos Guesthouse natürlich mehr zu bieten, allen voran die besagte Festung vor der dramatischen Bergkulisse, den alten Basar, schicke Restaurants und das hervorragend restaurierte Skanderbeg Museum. Dieses bietet dem interessierten Albaner einen Einblick in die eigene Geschichte und den eigenen Gründungsmythos, als auch allerlei Wissenswertes über die frühe Besiedlung des heutigen Albaniens. So verbringen wir drei wunderbare Tage in Kruja zwischen Kultur und Pflicht. Am Basar treffen wir einen Mann, der allein für sich auf der Ciftelia, jenem typisch albanischen Zupfinstrument, spielt. Auf den umliegenden Bänken haben sich schon die Dorfältesten versammelt, ihr Schwatzen gedämmt oder bereits komplett eingestellt. Wir lauschen und versuchen unbemerkt ein paar Fotos zu schießen. Nicht aus Unhöflichkeit, sondern eher aus dem Drang heraus unverfälschte Bilder zu schießen. Unser Vorhaben misslingt, doch zu unserer Überraschung dürfen wir dennoch weiter knipsen. Auch die anderen Zuhörer scheinen sich nicht daran zu stören. Dankbar reduzieren wir unsere Fotografie auf das Mindeste, sitzen und lauschen.
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Auch die Freundlichkeit unserer Gastgeberfamilie beschränkt sich keinesfalls auf die Bewirtung. Ständig werden wir nach unserem Befinden gefragt, jeder noch so kleine Wunsch wird uns von den Augen abgelesen. Es ist uns beinahe peinlich und dennoch so typisch für die Albaner, wie uns langsam dämmert. Dabei wird stets der Körperkontakt gesucht. Kleine Gesten, unverfänglich, unkompliziert, die stets Sympathie generieren. Die Hand an die Schulter, eine kurze Umarmung, ein Lächeln. Wir beobachten selbst die Polizei, wie sie ihre ‚Schäfchen‘ per Schulterklopfen und Wangenkuss befragt. Man kennt sich, man schätzt sich, offensichtlich. Ob man da noch Strenge zeigt? Wir bezweifeln es.
Eng und karg, der erste Eindruck. Ganz im Kontrast zu unserer letzten Bleibe, beziehen wir drei Tage später unser Zimmer in Berat. Ein Bett, ein Stuhl. So schwer der Abschied fällt, müssen wir dennoch weiter. Wir hätten problemlos noch eine Woche in Kruja bleiben können. Beim Abschied wird noch einmal die ganze Familie vorstellig. Schwatzen, Umarmen, winken. Was sein muss, muss sein. Doch nun zurück zu Berat: die Stadt der tausend Fenster wird sie auch genannt. Es waren die Postkarten und zahllosen Empfehlungen, die uns zielsicher nach Berat führten, schöne weiße Gebäude aus der Zeit der Ottomanen.  Gut erhalten und stilsicher arrangiert, ein albanisches Kleinod. Doch können die Bilder eben auch lügen. Das Internet sowieso, da findet eben jeder Fan sein Sprachrohr. Am Ende hatten wir dennoch das Gefühl, dass uns mehr versprochen wurde, als man hielt. Einzig das ethnographische Museum, welches in einem gut restaurierten Wohnhaus aus dem 15. Jahrhundert das typische Leben einschließlich des damaligen Rollenbildes veranschaulicht, würden wir nachhaltig empfehlen. Voller Eifer hatten wir vorab zwei Nächte gebucht, sowie die erste Nacht in Griechenland. So zwingt uns das schlechte Gewissen den Berg hinauf, von dem wir uns einen besseren Blick auf die Landschaft erhoffen. Unser Körper macht uns einen Strich durch die Rechnung, der Elan sowieso. Wir werden alt, denken wir uns, lachen und trinken stattdessen Kaffee in der Innenstadt. Na bitte, geht doch. Immernoch ziehen die Touristen an uns vorbei, die sich vielmehr an der Architektur erfreuen können. In der Bar läuft schlechte Musik. Keiner hört zu, jeder hört mit, wie in Malle am Strand. Rihanna, Ellie Goulding, David Guetta, Bummbumm. In der Ferne läuft die gleiche Musik, nur lauter. Der Regen zwingt uns zum Gehen. Ein kurzer Abend, Zeit für Recherche. Wir überlegen, durch die Vikos Schlucht, unmittelbar hinter der griechischen Grenze, zu wandern. Schwer hinzukommen, aber da würde uns schon noch etwas einfallen.
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Der nächste Morgen beginnt abermals früh für uns. Es fahren zwei Busse nach Gjirokaster einer um 8, zu früh. Der nächste um 2, zu spät. Wir entscheiden uns wiederwillig für den zu frühen. Der holpert über die versprochen schlechte Straße, doch was sich vor unseren Fenstern abspielt, ist alles Zufrühaufstehen und Geholpere wert. Straßenmärkte, wie wir sie in Europa nicht mehr vermutet hätten. Der Bus schleicht sich durch Menschenmassen, wenige Zentimeter an Buden und Ständen vorbei. Das Gemüse beinahe bis zur Fahrbahnmitte ausgebreitet, daneben werden Tierprodukte, Kleider, Kochgeschirr, Mobiliar, ganze Badezimmer feilgeboten. Man kommt nur mäßig voran, wartet, weicht aus, schaut. Die Stimmung ist unbeschwert, man hat ja Zeit. Später steigt unser Puls wieder, als die Landschaft zunehmend spektakulärer wird oder schlicht und ergreifend wunderschön. Ausgewaschene Flusstäler, grüne Berghänge, steile Schluchten und eine Straße, die sich an ihren Felsen Richtung Süden windet. So hatten wir das nicht vermutet und ärgern uns, die Kameras im Rucksack gelassen zu haben. Gjirokaster selbst sollte nur eine Durchgangsstation werden. Warum, wissen wir selbst nicht so recht. Eine Nacht, dann ab nach Griechenland.
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Unsere erneute Gastwirtin stellt sich vor als Rita und spricht von sich in der dritten Person. Rita macht, Rita hat... Gebrochenstes Englisch, doch die Kommunikation gelingt problemlos. In der Stadt ist die Hölle los, für albanische Verhältnisse. Das Polizeiaufkommen ist immens. Muss ja ein gefährliches Plätzchen sein, vermuten wir, können es aber nicht so recht glauben. Dafür sind hier viel zu viele Touristen. Vielleicht sind sie besorgt. Doch langsam ahnen wir, was im Gange ist. Falschparker werden rigeros angeraunt, Falschfahrer angepfiffen, Zuschnellfahrer sowieso. Wir wandern hoch zur Burg, kommen aber plötzlich nicht weiter, als wir schon inmitten einer Delegation Anzugträger stehen. Freundlichst werden wir darauf hingewiesen, die Burg sei heute für Touristen nicht zugänglich. Wir könnten morgen wiederkommen. Der albanische Ministerpräsident höchstpersönlich sei zu Besuch, wie wir später an anderer Stelle erfahren würden. So würden wir uns den Tag anderweitig vertreiben, mit einem Motorradreisenden ins Gespräch kommen, der bis in die Mongolei aufgebrochen war. Zum dritten Mal bereits. Eine Dame fotografieren, die am Straßenrand Kräuter verkaufte. Und mit einem ehemaligen Lehrer einen Kaffee trinken gehen, der trotz beeindruckender Fremdsprachenkenntnisse alles andere als gesprächig war. Nur ins Schloss würden wir nicht mehr kommen.
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Frühstück bei Rita - Rita macht Kaffee, Rita macht Marmelade, Rita macht Butter. Rita macht alles, auch gute Laune! =) Taxi, Busfahrt, Grenze, Griechenland. Lamtumirë Shkipeteri - auf Wiedersehen Adlersöhne, Hellas Ellada!
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