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Auf dem Weg um die Welt


​...und zu allem was dazwischen liegt

Georgien - Berge, Chacha und ganz viel Zeit unter Freunden

28/7/2017

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Die Zollbeamtin scheint heute nicht auf Arbeit gepolt. Gelangweilt schaut sie auf ihren Bildschirm, während wir vor ihrem Schalter warten. Ihr Desinteresse lässt noch nicht einmal zu, uns an einen anderen Schalter zu verweisen. Das machen wir dann selbst. Wäre ihr Amt nicht so wichtig, würde man sie zusammenscheißen, aber wir beherrschen uns. Beinahe stellen wir uns an den nächsten falschen Schalter, doch der korrigierende böse Blick der zweiten Zollbeamtin führt uns beinahe automatisch zum letzten verbliebenen, richtigen Schalter. Ein bisschen wie in dieser Kinder TV Show der Neunziger. Der Beamte ist dann auch auffallend freundlich, muss er doch die Unfreundlichkeit seiner Kolleginnen kaschieren. So fragt er Xenia nach ihrer Herkunft und druckt letztendlich nach gelungenem Smalltalk seinen Stempel in unsere Pässe. Wir bedanken uns und passieren. Die beiden Furien surfen derweil im Internet, während ihnen die nächsten Touristen in die Falle gehen.
Im Zentrum Batumis angekommen, gönnen wir uns ein Taxi. Der Tag war lang, die Hitze drückt unerbittlich. Da wirken die Argumente der Fahrer besonders, ihr Werben erscheint berechtigt. Der Fahrer lässt sich die Straße zeigen und fährt zielsicher in die falsche Richtung. Dass es die falsche ist, wissen wir anscheinend auch nicht mehr. Sonst sind wir bestens vorbereitet, haben grundsätzlich immer eine Ahnung, wo unsere Unterkunft grob liegen könnte. Die Hitze hat uns umnachtet, unseren Bezugspunkt Bahnhof schlicht gelöscht. Der Fahrer wird schon wissen was er tut. Ist ja auch schön hier,  am Strand. So  müssen wir uns überraschen lassen. Es gelingt. Der Fahrer fährt siegessicher die Strandpromenade ab. Wo sollten Touristen wie unsereins auch sonst nächtigen wollen. Auch im fünften Anlauf hat er es nicht gefunden. Ok, wir brauchen Internet! Das kann der Fahrer organisieren , quatscht an einer Kreuzung einen Leidensgenossen an. Der bestätigt ihm nach einer weiteren Viertelstunde, dass er die Straße unserer Unterkunft falsch gelesen habe. Klingt sie doch beinahe wie die Strandpromenade. Am Ende finden wir unsere Unterkunft eine geschlagene Stunde nach Abfahrt nur wenige Hundert Meter neben unserem Einstigspunkt in einem Hinterhof, über einer Werkstatt. Macht dann 20 Lari, willkommen in Batumi!
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Aber schön ist es, beinahe sauber und geräumig. Wir kaufen Bier, Wein und Pelmeni im Laden um die Ecke. Die Preise machen Spaß, das Angebot auch. Herrlich unsortiert ist es, eben authentisch osteuropäisch. Während wir durch die Regale schlendern, schaut man uns nach. Man scheint uns helfen zu wollen, obwohl eine Sprachbarriere aufgrund Xenias Russisch Kenntnissen quasi nicht vorhanden ist. Als wir wieder zurückkommen, sitzt Jevgeni in unserer Küche. Die ist gar nicht unser, sondern nur zufällig Teil unserer Ferienwohnung, wie sich herausstellt. Das erklärt dann auch die Chinesin, die sich eine Stunde zuvor merklich angepisst ihre Suppe aus Dosenmais zubereitet hatte. Zuvor hatte ich sie gefragt, was sie in unserer Küche macht. Die Situation ließ sich nur schwer klären, da ließ ich sie einfach mal machen. Jevgeni jedenfalls ist Russe aus Krasnojarsk, schwer gebildet und vielgereist. Die letzten Wochen verbrachte er in Svaneti, ausgiebig berichtet und empfiehlt er.
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Wir jedenfalls fahren weiter nach Tiflis. Das ist zwar ein wenig umständlich, aber zumindest logisch, wenn wir uns das chinesische Visum besorgen wollen und darauf möglicherweise warten müssen. Also laufen wir zum Busbahnhof und fragen nach dem nächsten Bus. Ja der käme um 12, was sich gut trifft, da es gerade halb 12 ist. Die Tickets sind schon gezahlt, als der Verkäufer mit uns noch einmal die Details durchgeht. Es wäre gut, wenn wir schon eine halbe Stunde vor Abfahrt da wären, meint er. Wir werden stutzig, denn wir sind ja gerade hier. Die Situation klärt sich keine 3 Sekunden später, man hat uns Tickets für Mitternacht verkauft. So schwenken wir missmutig auf die Marschrutkas um, Kleinbusse, die zu jeder vollen Stunde fahren. Eine Stunde und einmal Umkehren später sind wir in der Spur, so erreichen wir Tiflis auch erst am frühen Abend. Auch hier haben wir wieder kein Glück mit der Unterkunft. Im Zielbereich ist nichts mehr verfügbar, weshalb wir kurzfristig auf ein Kellerloch umsteigen müssen. Auf den Fotos war es noch eher ein Geheimtipp, als ein Loch. Doch da sind wir nun, abgehärtet und anspruchslos. Es ist beinahe Nacht und daher alternativlos. Wir parken unser Gepäck und fliehen. Zum Glück sind wir nicht ab vom Schuss, die Altstadt scheint nur wenige Gehminuten entfernt. Da wissen wir ja auch noch nicht, dass in Tiflis beinahe alles Altstadt ist, was nicht gerade ganz neu gebaut wurde. Der Hunger treibt uns in ein Kellerlokal, denn die Keller scheinen hier konsequent genutzt zu werden. Wir sind die einzigen Gäste, der DJ im Rentenalter versucht die Stimmung anzuheizen, dreht die Lautstärke jenseits des Erträglichen auf und klickt ein YouTube Video nach dem nächsten an. Stets hat er uns und unsere Reaktionen im Blick. Gegen Oldies haben wir ja gar nix. ‚Final Countdown‘ ‚Baker Street‘, alles drin. Doch plötzlich schwenkt er ungefragt auf den neueren Pop, quasi akustischen Terrorismus, um. Wir geben freundlich Zeichen, wollen etwas anderes und es kommt Enrique Iglesias. Jetzt reicht's! Xenia steht auf und klärt die Situation, bevor sie eskaliert. Er höre das eigentlich ganz gern, erklärt er ihr. Missgelaunt nehmen wir die Entschuldigung an, aber auch nur, weil wir freundliche Menschen sind. Das Essen kommt und schmeckt schlicht fantastisch, die Georgische Küche trifft uns völlig unerwartet. Dabei hatten wir uns vorallem über das Bier gefreut, nach einem Monat Türkei, sind wir schlicht untersättigt.
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Irgendwie überstehen wir die Nacht in diesem Ding, das sich Zimmer nennt. So früh als möglich, also so gegen 10, fliehen wir in unsere neue Herberge. Diese liegt in einem Kabuff in einem Hinterhof ganz in der Nähe der anderen Altstadt, der richtigen. Von außen noch einem Abstellraum gleich, erwartet uns im Inneren das kleinste schönste Zimmer unserer Reise. Davon wissen wir freilich noch nichts, denn Nina ist nicht da. Stattdessen schwatzen die Damen im Hof und kommen mit Xenia ins Gespräch. Natürlich versteht man sich auf Anhieb. Wir lassen unser Gepäck zurück und begeben uns auf die Suche nach den Konsulaten. Beide haben zu, als hätten sie sich abgesprochen. Neuer Tag, neues Glück, denken wir uns und ziehen ab.
Am Abend durchstreifen wir die Altstadt, die eigentlich eher die Aneinanderreihung restaurierter Gebäude entlang der Hauptstraße zu sein scheint. Das Potential der Blocks dahinter scheint unangetastet. Vermutlich fehlt das Geld, was sonst. Kaum auszudenken, was hier entstehen könnte, wenn ein ambitionierter Bauträger das ganze Viertel in die Hände bekäme. Wenn die Straßen geteert wären und die Fassaden gestrichen. Bis dahin bleiben die Häuser von schweren Balken gestützt, warten auf Sanierung und bessere Zeiten. Auf ihren großen Moment. Doch Tiflis hat unzweifelhaft Potential, das sieht man schon bei der ersten Begegnung. Ein Dornröschen ist sie ja nicht, eher das Aschenbrödel vor der guten Fee. Es scheint man begegne dieser Stadt noch vor dem großen Knall, noch bevor sie von Irgendjemandem zum Geheimtipp deklariert wird.
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Am nächsten Morgen schüttet es, wie wir es ewig nicht erlebt hatten, vielleicht das letzte Mal in Bangkok. Das ist kein Regen mehr, das ist Monsun! Ein normaler Mensch wäre daheim geblieben, hätte sich in seinem, bei Regen noch behaglicheren Zimmer verkrochen und gespannt aus dem Fenster geschaut. Doch wir sind nicht normal, wir brauchen Visa und es ist Freitag. Bis zur Chinesischen Botschaft schaffen wir es noch einigermaßen trocken. Der Schirm steht schon in der Ecke, die Anträge sind bereit genau wie wir selbst auch, als man uns offenbart, dass für Ausländer keine Visaanträge bearbeitet würden. Ungläubig fragen wir nach, dann nochmal freundlich, am Ende versichern wir uns halb resigniert. Ja, die Chinesische Botschaft Tiflis, repräsentativ für die Volksrepublik China, bearbeitet keine Ausländischen Visaanträge. Schon seit 2 Jahren nicht mehr. Xenia will ein weiteres Mal nachfragen, als ich ihr bedeute zu gehen. Damit hätten wir, wenn überhaupt, bei der togolesischen Vertretung in Tirana gerechnet, aber nicht hier. Tolle Wurst! Naja, es kommen noch 3 Hauptstädte, es wird langsam zum Running Gag.
Weiter zur Iranischen Botschaft. Vor lauter Wut über China und das Wetter, nehmen wir den falschen Bus. Richtige Nummer, falsche Farbe. Als wir es merken, sind wir schon ziemlich ab vom Schuss. Beim Verlassen des Busses müssen wir durch einen Wildbach steigen, der inzwischen vor der Haltestelle verläuft. Auf die andere Seite kommen wir wahrscheinlich nicht, also gönnen wir uns abermals ein Taxi. Die Lüftung scheint kaputt, weshalb der Taxifahrer mit offenem Fenster fährt. Tatsächlich kann er durch den Rest unbeschlagener Frontscheibe etwas sehen und navigiert in etwa wie ein Ubootkapitän durch die Wasserwand in Richtung Botschaft. Wir hatten ja gehört, dass es in Tiflis einen besonders produktiven Botschafter gibt, der Anträge innerhalb von 2 Werktagen für schlanke 50 Euro bearbeitet. Die Referenznummer natürlich vorausgesetzt, wie wir uns belehren lassen müssen. Damit hat sich dieses Thema auch erledigt. Nun werden wir wirklich fliegen und uns auf das Abenteuer Visa on Arrival Iran einlassen.
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Als wir schlussendlich genervt und ohne Visum in unserem Zimmer ankommen, hört es gerade auf. Irgendwie typisch. Wir trocknen bei Kaffee und Keksen und brechen wenig später wieder auf. Kultur, Museum, Park. Am Ende eines Tages, den man sich zu Teilen hätte sparen können, sitzen wir in unserem neuerlichen Stammlokal. Wenigstens darauf ist Verlass. Es stellt sich für uns als großes Glück heraus, das direkt an unserem Hof ein Lokal eröffnet hat,  das mit richtig guter Küche und erschwinglichen Preisen aufwartet.
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Unsere Wiederholungstat bleibt nicht unbemerkt, schon nach einer halben Stunde hat sich die halbe Belegschaft bei uns vorgestellt. Man kommt ins Schwatzen, allen voran Xenia fliegen die Herzen zu. So gönnen wir uns Ostri, die georgische Version eines Gulaschs, die mit all den Zutaten aufwartet, die dem mitteleuropäischen Gulasch ganz offensichtlich fehlen. Allen voran Ingwer und Koriander, schlicht fantastisch! Zurück im Zimmer buchen wir die Flüge, damit ist es beschlossen! Wir werden also nicht allein auf dem Landweg gen Osten reisen können und müssen nun weitere 16 Tage in Georgien verweilen. Klingt ziemlich lang für so ein kleines Land. Und so richtig Lust auf akutes Herumreisen haben wir ja auch nicht. Zur Not suchen wir uns einfach ein schönes Fleckchen und warten. Die Berge und das Essen sind ja nicht zu verachten...

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Nachdem wir am nächsten Tag die Touristeninformation mit einem wahren Fragenkatalog belagert hatten, fahren wir mit der Seilbahn auf den zentralen Hügel in Tiflis. Auf der anderen Seite des Flusses hat Tiflis die Moderne erreicht. Futuristische Strukturen bestimmen hier das Gesicht der Stadt. Der Andrang ist groß, die Preise klein. Einem Türsteher gleich, öffnet und schließt der Sicherheitsbeamte die Tore vor dem Verkaufsschalter. Er muss es wohl schon lange so tun, denn so richtig bei der Sache ist er ja nicht. Beinahe verpasst er den Moment und sorgt für leere Gondeln.
Die Fahrt erscheint uns ähnlich un-spektakulär, wie der Hügel selbst. Einzig die Mutter Georgiens thront einsam stehend über der Stadt. Von unten freilich sah sie weit ikonischer aus. Die Touristen scheint das nicht abzuschrek-ken, uns ja offensichtlich auch nicht, denken wir. Von der Anhöhe schweift unser Blick in die angrenzenden Viertel, die aufwendig restauriert werden oder schon sind. Die hohe Fassade der städtischen Moschee generiert ein Stück Seidenstraße, blau und grün spiegelt sie die Sonne. Wir laufen den Hügel hinab, folgen ihrer Richtung. Mitten in der Stadt finden wir nicht nur die Moschee und die angrenzenden Bade-häuser, sondern eine imposante Schlucht, aus der ein kleines Flüsschen rinnt. Wir fragen uns, welche andere Hauptstadt so etwas zu bieten hat. In deren Schatten suchen die Leute Erholung, die es nicht in den darüberliegenden Bota-nischen Garten geschafft haben. Ein wenig modrig riecht sie, wie ein feuch-ter Keller, ein untrügliches Zeichen, dass ihr die Sonne zumeist verwehrt bleibt. Die Zeit drängt, zumindest heute. Wir wollen es noch zur Dreifaltigkeitskirche schaffen, die mit ihren goldenen Dächern das Stadtbild dominiert und die, samt ihrer zahlreichen Nebengebäude, nicht weniger als eines der größten religiösen Bauwerke der Welt ist.
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Heute scheint dort eine Prozession im Gange, die auch irgendetwas mit Kindern im Schulalter zu tun hat. Sie drängen sich in der ersten Reihe, werden permanent von ihren Müttern betüdelt, die sich in der Reihe dahinter versammelt haben. Die Türen des reichgeschmückten Altarraums, der so typisch für die orthodoxen Kirchen ist, stehen weit geöffnet. Der ihr entweichende Schein durchflutet golden den Raum.Auf der Balustrade singt der mehrstimmige Chor so schön, wie wir es wohl noch nie vernommen haben. Also wenn sie was können, die Christen, dann ja wohl singen! Vermutlich erschöpft sich überhaupt die Faszination des christlichen Glaubens in der Schönheit ihrer Chorale. Kein Wunder, dass sich da bei manchem was regt in der Brust, sinnieren wir. Während sich der Großteil der Prozession auf die Mitte und deren Beobachter verlagert, strömen immer mehr Menschen in die Kirche. Sie beten zu ihrer Ikone, küssen ein Bild, erleuchten ein oder mehrere Kerzen, tun ihre Pflicht. Wir verlassen das beeindruckende Bauwerk, treten auf den beinahe leeren Vorplatz. Dort inszeniert eine Brautpaar ihre Hochzeit, eine ganze Schar von Fotografen filmt das Spektakel. Während die Drohne über ihren Köpfen schwebt, läuft das Paar aufeinander zu und dreht sich in unglaubwürdiger Romantik fortwährend im Kreis. Sicher vier, fünfmal, bis die Aufnahme sitzt und der Hochzeitsregisseur zufrieden ist. Wir sparen uns den Anblick der Folgeszene und laufen im Licht der untergehenden Sonne zurück zur zentralen Turmuhr, die wir schon früher am Tag in einem netten Gässchen besichtigt hatten. Ein letztes Bier, passend zum Spiel der Straßenmusiker, bevor wir uns erneut in unserem Stammlokal wiederfinden.
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Mtshketa ist genauso schön, wie unaussprechlich. Zentrales Element des verschlafenen Örtchen ist die Swetizchoweli Kirche, noch unaus-sprechlicher und gleichermaßen ge-orgisches Welterbe. Die Kirche liegt keine 30 Kilometer vor Tiflis in einem Areal, das glaubhaft aus dem 12. Jahrhundert stammt. Ganz im Gegen-satz zu ihrem Pendant aus der Haupt-stadt wird hier behutsam restauriert, modernisiert. So erhält sich die Kirche ihren morbiden Charme der die vergangene Zeit lebendig werden lässt.
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Am nächsten Morgen verlassen wir Tiflis, nach beinahe einer Woche. Unser kompaktes Multifunktionszimmer vermissen wir jetzt schon. Am Busbahnhof steigt eine Familie zu, die wir sofort als Landsmänner erkennen. Als seien sie die Abenteuer gewohnt, werfen sie ihre Rucksäcke aufs Dach des zerbeulten Vehikels, wobei der jugendliche Sohn noch die größten Bedenken äußert. Im Gespräch mit dem Vater erfahren wir, dass er als Dresdner unmittelbar nach der Wende die zuvor ungekannten Freiheiten auf dem Fahrrad erfahren habe und es zusammen mit Freunden einmal um die Welt geschafft hat. Etwas über zwei Jahre und gerade 1000 Mark habe er damals gebraucht. Schüchtern erzählt er die ein oder andere Anekdote. Wir sind beeindruckt, hätten gerne die noch so andere Welt gesehen, die sicher weniger einfach, weniger verfälscht und doch genauso möglich war, wie die Welt unserer Zeit. Währenddessen fahren wir nach Kazbegi, genauer Stepandsminda zu Füßen des Fünftausenders Kazbeg. Gemächlich schraubt sich das Vehikel in die Höhe bis wir schließlich im hochalpinen Klima aussteigen. Die Sonne hat sich schon hinter die Berge verkrochen, in deren Schatten und der dünnen Luft ist es bereits recht kühl. Hell ist es zum Glück noch, denn es herrscht gerade Stromausfall. Im letzten Licht des Tages kommt er wieder. Die kommenden Tage ist dafür dann das Wasser weg.
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Kazbegi ist berühmt für seine Dreifaltigkeitskirche, die klein aber majestätisch vor einem Bergpanorma thront. Wir erklimmen die brachiale Steigung mit letzter Kraft und schauen den Geiern hinterher, die riesig über den Hügeln kreisen. Den Kazbeg dagegen sehen wir nicht, kein einziges Mal in drei Tagen. Enttäuscht wandern wir am nächsten Tag zu einem Wasserfall, der seinen Namen nicht verdient. Auf halber Stecke folgen uns die Hunde, die fortan alle vorbeifahrenden Autos für uns verscheuchen. Halsbrecherisch jagen sie ihnen hinterher, egal welche, Größe oder Geschwindigkeit scheinen ihnen egal. Es muss ein Gefühl der Erhabenheit für so einen Hund sein, philosophieren wir, das Auto am Ende wirklich verschwinden zu sehen, als sei der Erfolg greifbar, nachvollziehbar. Mit jedem weiteren steigt ihr Glück. Kazbegi hat uns dagegen wenig zu bieten. So verlagern wir uns in Richtung des georgischen Westens, nach Svaneti.
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Der Nachtzug braucht beeindruckende 8 Stunden für grobe 300 Kilometer. Er hatte dennoch später ankommen können, viel zu früh verlassen wir den Wagon und warten auf den nächsten Kleinbus. Die anschließende Fahrt geht trotz der augenscheinlichen Schönheit der Region als unsere vermutlich gefährlichste in die Geschichte ein. Der Fahrer scheint uns ein unkontrollierter Irrer zu sein. Mal wieder holt uns der außereuropäische Fahrstil ein. Beinahe schweigend ertragen wir die dreistündige Grenzerfahrung. Dankbar registrieren wir, wie er telefoniert und währenddessen einhändig rast. Allerdings auch spürbar langsamer. Mit dem Auflegen steigt er wieder auf's Gaspedal, unterbrochen nur vom Kuppeln. Manchmal bremst er auch. Kurz und hart. Einerseits möchte man aufspringen, als er vor Kurven überholt und wie ein Wahnsinniger die steilen Hangstraßen entlang jagt. Auf der anderen Seite droht man sich stets als deutscher Spielverderber zu offenbaren. Ein Problem zu haben, wo doch gemessen an den anderen 15 Seelen im Bus kein Problem zu sein scheint. Jedenfalls kommen wir heil an, wie immer. Die Alternative ist mal wieder verdrängt, zum Glück.
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Wir erreichen unsere Unterkunft. Abseits der Kreisstadt Mestia landen wir in einem abgelegenen Dorf namens Lachushti, das Leben der Bewohner scheint genauso vergessen wie die Zeit. Wir sind noch skeptisch, ob sich das Leben im Dorf nicht doch ein wenig zu rückständig gestaltet, die immerlangen Wege hinaus nicht zu anstrengend werden. Am Ende werden wir viermal verlängern und unsere gesamte Woche bis zum Abflug inmitten unserer Gastfamilie verbringen.
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Levan ist der Mann des Hauses und eine lokale Berühmtheit in einer Region, in der man sich noch kennt, statt sich einfach zu begegnen. Sein Aufstieg begann als Fahrdienst des Dorfes, in dem er lange Zeit das einzige Auto besaß. Die Kinder sind schon aus dem Haus und studieren in Tiflis. Mit Bestnoten, wie er stolz erzählt. Diese wären erforderlich, damit sie sich die Studiengebühren sparen, immerhin 3000 Dollar pro Jahr. Während sein Sohn in Tiflis weilt, hilft seine Schwiegertochter im Haushalt und unterstützt seine Frau bei der nie enden wollenden Arbeit auf dem Hof. In aller Frühe stehe sie auf, bekoche sich nie beklagend einen 7 Personen Haushalt, wasche, putze, melke, schneide und pflege den Garten. Bis spät in die Nacht. Gebannt folgen wir dem Tagesablauf, wie in einem Freilichtmuseum veranschaulichen wir uns selbst das Leben in den Bergen, wie es auch in Süddeutschland vor gut 100 Jahren gewesen sein muss. Überhaupt erinnert uns die gesamte Region an das Leben in Tirol, vor dem Tourismus, vor dem großen Geld. In der Zeit, bevor die Gebirge romantisiert werden konnten und ihren Bewohnern vorallem ein Wirtschaftsraum waren.
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Doch bevor wir in das dörfliche Leben eintauchen, gehen wir mal wieder wandern. Mestia ist zuallererst Ausgangsort jeglicher Wanderungen zum Ushbek, der einer Krone gleich über den umliegenden Tälern thront. Früh genug lassen wir uns von Levan nach Mestia bringen, der uns am liebsten gleich über den Berg fahren will. Wir überreden ihn, uns rauszulassen und folgen den Pfaden in die Berge. Schon bald haben wir über 1000 Höhenmeter überwunden. Wir überqueren die Baumgrenze und wandern danach über Almwiesen, Geröll und Gletscher. Nach 6 Stunden überqueren wir den Pass ins angrenzende Tal. Völlig fertig genießen wir die Szenerie und laufen danach dem nicht weniger steilen Abstieg entgegen. Langsam werden wir zu richtigen kleinen Bergziegen, gestehen wir uns ein. Ein Zustand, an dem Xenia mehr Freude zu haben scheint, als ich. Als es die Beine wieder zulassen, laufen wir weiter. Am Ende überstehen wir eine der härtesten und gleichermaßen schönsten Wanderungen, die wir bisher gemacht haben. Erstaunlich!
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In unserer Unterkunft hat sich derweil ein Grüppchen junger Russen eingefunden. So richtig können sie sich nicht auf das ländliche Leben einlassen, wirkt es ja auch im ersten Moment recht reduziert, beinahe meditativ. Sie überstehen den Abend mit Karten spielen auf dem Sofa, schaffen sich selbst eine launige und gesellige Atmosphäre. Levan gefällt das nicht, nur ist er zu freundlich und zu weise, als dass er seinen Launen Ausdruck verleihen würde. Er beobachtet, während Mzia, seine Frau kocht und macht und tut. Wir sind beeindruckt von der Selbstverständlichkeit, mit der sie die Arbeit in Haus und Hof erledigt. Was bliebe ihr auch anderes übrig, fragt sie uns lachend. Man könne ja nicht einfach aufhören. Alles müsse geplant sein, an Spontaneität ließe sich nicht denken, an Krankheit gleich gar nicht. So steht sie in aller Herrgottsfrühe auf, melkt die Kühe, macht Frühstück, wäscht die Wäsche, kocht, macht Käse, putzt, pflegt den Garten. Noch eben die Hühner füttern. Ein kurzes Nickerchen, dann wird Teig angesetzt, Brot gebacken, Abendessen gekocht, wieder gemolken, Käse angesetzt für den nächsten Tag. Es fallen sicher noch wesentlich mehr Arbeiten an, für die wir in den 8 Tagen kein Auge haben. Es fällt uns schwer, bei aller Landromantik, an ein eigenes Landleben unter diesen Voraussetzungen zu glauben. Dennoch verbringen wir gerne Zeit mit Mzia, lassen uns in die Käseherstellung einweisen während sich Xenia angeregt mit ihr unterhält. Früher hätte sie weniger zu tun gehabt, doch habe sie nun mit den Touristen noch zusätzliche Arbeit, erklärt sie entschuldigend. Doch ihre Kinder studieren in Tiflis, da brauchten sie das Geld, selbst wenn sie aufgrund ihrer außergewöhnlichen Leistungen bisher jedes Semester gesponsert bekommen hatten. Sie schaut gleichermaßen stolz und müde. Wie dankbar wir doch sind, deutsch geboren worden zu sein.
Am nächsten Tag rennen die Bullen durch das Dorf. Zum Glück vernehmen wir das erschrockene Schreien der Mädchen hinter uns, so dass wir uns gerade noch an den Zaun der begrenzten Zufahrt drücken können. Keine 2 Meter von uns rennt ein ausgewachsener Ochse an uns vorüber, ihm folgt ein weiterer. Wir atmen durch. Da wird einem schon anders, wenn so ein tollwütiges Vieh, sicher eine dreiviertel Tonne schwer, durch das Dorf hetzt, geben wir unserem Begleiter zu verstehen. Ja, das wäre normal, wenn es so heiß sei. Dann drehten sie einfach durch und liefen so lange sie wollten. Abends kämen sie dann mit den Kühen zurück, denn auch diese bewegen sich frei auf den umliegenden Weiden Lachushtis. Ganz von allein fände jede zurück in ihren Stall, bereit noch kurz vor Mitternacht gemolken zu werden. Quasi eine vollautomatische Kuh...
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Wir fahren mit Levan nach Mestia. Die Russen sind abgesetzt und schon wieder auf der Weiterreise. Einmal Mestia und zurück,ein Tag, zwei Nächte. Kurztrip nach Ushguli und tschüss. Wir dagegen können es uns erlauben, an unserem offiziell letzten Tag ein wenig herumzutingeln. Die Straße ist mal wieder blockiert von Kühen, Eseln, Schafen. Überhaupt scheinen die Wege in Georgien von so ziemlich allem blockiert zu werden, was jemals domestiziert wurde. Mit Engelsgeduld rangiert Levan sein Gefährt um die Hindernisse herum, die sich in keinster Weise bewegen wollen. In Verbindung mit den Straßen, Kurven und dem ständigen Gegenverkehr, passt das so gar nicht zu dem lokalen Fahrstil. Alkohol mag da auch eine Rolle spielen, aber meistens fahre man da sogar noch besser, belehrt man uns. Aber Levan hält sich dankbar zurück, sitzt zudem rechts in seinem Vehikel. Im Rechtsverkehr wohlgemerkt. Wie so viele andere auch. Vielleicht dem Optimismus geschuldet, bei Gegenverkehr nicht gleich der erste sein zu müssen, vielleicht auch der Übersicht, bei den vielen Gefahren am Straßenrand. Vermutlich aber der Faulheit. Wir glauben, die Georgier steigen einfach gern auf dem Gehweg ein und aus.
Mit dem Lift fahren wir auf einen namenlosen Hügel, der eigentlich Hachvali heißt und beste Sicht auf das Ushba Massiv bietet. Oben angekommen empfängt uns eine moderne Cafeteria, ein bisschen Alpen im Kaukasus. Bei Wein und Internet genießen wir das Panorama. Amüsiert darüber, auf über 2500 Metern den besten Empfang zu haben, schaue ich mir die erste Folge der neuen Game of Thrones  Staffel an, die ich schon zu verpassen fürchtete. Xenia sieht mir meine Dekadenz nach, nachdem wir uns einigen, in letzter Zeit ja eigentlich genug Berge gesehen zu haben. Als wir nach einigen Stunden wieder abfahren, werden wir von der Polizei höchstpersönlich mitgenommen. Der junge Bursche scheint es mit den Verkehrsregeln noch weniger genau  zu nehmen, als die Schäfchen, die er zu überwachen ersucht ist. Einer Achterbahnfahrt gleich brettern wir die Serpentinen herunter. Wir halten uns an den Griffen und beten. Normalerweise müsste man ja etwas sagen, aber ob man die Polizei belehren sollte, hätten wir vielleicht zuvor erörtern sollen. Am Ende werden wir es überleben und uns vornehmen, das nächste Mal Einwände zu erheben.
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Derweil ist im Dorf eine Gruppe Singender eingetroffen. Die Svan sind nicht nur eine auf Georgien und Russland verteilte Volksgruppe mit eigener Sprache und Kultur, sondern vorallem berühmt für ihre mehrstimmigen Chorale, die zu einem immateriellen Weltkulturerbe erklärt wurden. Die Lernwilligen werden dafür unter allen Familien Lachushtis aufgeteilt, um sich so einzuleben und in einer persönlichen Atmosphäre mit den Einheimischen in Kontakt zu kommen. Wir lernen also Katrin und Francoise kennen, die ebenfalls unserer         Gastfamilie zugeteilt sind. Es folgen wie so oft spannende Gespräche, viel zu zahlreich, als das man darüber berichten könnte.
Mehr oder weniger begleiten wir in den kommenden Tagen die Singenden, die einander nicht kennen. Meist Abends treffen wir uns, berichten und trinken. Mitunter soviel, dass ich den kommenden Tag handlungsunfähig bis in den späten Nachmittag an mir Vorbeifliegen sehe. Für unsere inzwischen wechselnden Gastwirte scheint dies keine Entschuldigung zu sein, schon gegen Mittag habe ich den nächsten Selbstgebrannten im Glas. Die georgischen Gläser sind dabei auch noch größer als die deutschen. Soviel wäre das jetzt auch wieder nicht, erklärt man uns. Man trinke ja nachgewiesenermaßen weniger als die Russen. Am Ende verstecken wir unsere Gläser und beschränken uns nur auf Schnaps. Oder Wein. Oder Bier.
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Noch einmal wandern, immer das gleiche. Aber deswegen sind wir ja hier, eigentlich. Nur verstehen wir uns mit allen so gut, dass wir immer etwas anderes machen. Aber einmal müssen wir noch, hier zumindest. Xenia hat im Internet von einer ominösen Wanderung durch das Mazeri Tal zum Ushba Gletscher gelesen. Gleicher Berg, andere Seite. Mal wieder fährt uns Levan, am besten gleich bis zum Gletscher. Wir überreden ihn, uns jetzt rauszulassen. Leider zu spät, wie wir feststellen. Eine Wasserdruchfahrt nach georgischem Maßstab zwingt uns zum Zurücklaufen. Zum Glück, denn wir folgen einem schlicht atemberaubenden Pfad durch das Tal. Es wird flankiert von steilen Felswänden, die Gipfel der Berge sind so steil, dass man sie gerade noch sehen kann. Beim Blick zurück ein weiterer dieser kaukasischen Eisriesen. Wir kennen ihn nicht, wofür auch, und doch erfreuen wir uns seiner Wirkung. Der Blick nach vorn offenbart den noch zu gehenden Weg, der oberhalb mehrerer großer Wasserfälle liegt. Sonnenbeschienen glitzern sie im Licht, während sie vermutlich aus den besagten Gletscher gespeist werden. Kaum zu glauben, dass da immer noch Gletscher ist, soviel Wasser, wie da runter kommt. Wir durchwaten kalte Bäche und folgen steilen Pfaden, bis wir nach einigen Stunden der immensen Steigung nicht mehr standhalten wollen, standhalten können. Die Bäume haben sich da beinahe schon verabschiedet, der dichte Bewuchs der Hänge vermag das Geröll nicht mehr zu halten. Zwei schweren Schritten nach vorn folgt ein flott gerutschter Schritt zurück. Stets begleitet vom Poltern fallenden Gesteins. Wir          verschnaufen. Schauen. Sind ja auch schon hoch. Nur eben nicht über den Fällen, zu Füßen der Gletscher. Was soll's, denken wir. Eh mutig, das als Wanderweg zu deklarieren. Da kommt schon der erste von oben zurückgerutscht. Von unten kriechen sie hoch. Die Frauen keuchen, die Männer schimpfen. Oder treiben. So rutschen auch wir zurück, in Lokomotivstellung, mit beiden Stöcken im Anschlag. Am Ende wird es doch wieder abend. Levan wartet schon auf unseren Anruf, kommt uns entgegen, als wir ihm müde das Tal entgegen kriechen. Wir hätten den Gipfel erklommen während er faul in der Ecke gelegen habe, geben wir ihm zu verstehen. Er lacht. Er mag uns, wie er uns zu verstehen gibt.
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Der Abschied naht. Levan schaut schon seit zwei Tagen traurig. Er ahnt es schon. Wie können nicht weiter verlängern, unser Flug geht schon die nächste Nacht. Davor steht noch eine lange Fahrt an. Etwa 10 Stunden. Besonders mit Xenia hat er sich angefreundet und sich ausgiebig auf russisch unterhalten. Ständig machen sie ihre Späße, die ich nicht verstehe. Ab und an übersetzt sie, während er schon die nächste Zote reißt. Man merkt ihm seine Freude über die ungezwungene Blödelei an. Früher habe er es besser gesprochen, zwischenzeitlich aber eher wenig gebraucht. Als er noch jung war, feichst er, kamen viele russische Mädchen in die Berge, eine tolle Zeit habe er da gehabt. Jetzt kämen sie wieder, die Wogen seien geglättet. Mzia war da schon deutlicher. Natürlich habe sie nichts gegen Russen, aber was passiert sei vor über 20 Jahren, das könne man auch nicht so einfach vergessen. Schlimme Dinge seien da geschehen. Wir fragen nicht weiter nach, wollen die Gespräche nicht in trübsäligem Schweigen beenden und verlassen uns auf unsere grobe Kenntnis der Ereignisse. Doch das Resultat sei unter anderem ein geteiltes Svanetien.
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Wir verabschieden uns ausgiebig, schon beinahe rituell, bevor uns Levan verlädt und hinauf zur Straße fährt. Noch einmal hinaufgeschaukelt auf den staubigen, unbefestigten Wegen des Dorfes, noch einmal wehmütig zurückgeschaut. Oben angekommen, fällt auch sein Abschied kurz aus, der Bus kommt angeschossen. Gepäck auf's Dach, einmal winken, und tschüss. Ganz ohne Vorspiel. Im Bus hat alles vorangegangene Beten nichts genutzt, der Bus ist klein und voll, einzig die ungeliebten Plätze in der letzten Reihe sind noch frei. Es ist schon eng als wir uns setzen. Als nach wenigen Kilometern noch ein 130 Kilomensch in unsere Mitte gepresst wird, ist es ganz aus. Es wird die schlimmste Fahrt unserer bisherigen Reisegeschichte. Und die ist voller schlimmer Fahrten.
Wir fassen es kurz. Es ist heiß, sehr heiß. Die Klimaanlage erreicht uns nicht. Fenster, die man öffnen könnte, gibt es nicht. Der Bestuhlung ist eng, die der letzten Reihe noch enger. Xenia kann ihre Beine nicht ausstrecken, hat ein Bein auf meiner Seite. Der Zweihundertkilomann auch. Ihm ist es sichtlich unangenehm, mir erst recht. Später tauscht er mit einem normalgebauten Menschen. Doch der saß vor Xenia, jetzt drücken gefühlte 300 Kilo die Rückenlehne in Xenias Knie. Ab da hab ich zwei Beine bei mir. Alle schwitzen, wir schwimmen. Der Fahrer hat das Monopol über das Fenster, im Auto steht der Straßenstaub. Es stinkt nach allem, zudem kommt nach einer Stunde auch noch Benzingeruch dazu. Stark. Wir wundern uns, fahren wir doch steil bergab. Der Fahrer hält. Irgendetwas ist kaputt, vermutlich die Benzinleitung. Alle steigen aus. Halleluja! Der Fahrer war dahingehend vorausschauend gefahren, dass er das erste Fahrzeug einer Kleinbuskolonne war. Also flott. Nun halten alle und helfen ihm. Man improvisiert eine dreiviertel Stunde, dann fließt das Benzin wieder. Der Rückstand soll wohl aufgeholt werden, also fährt er flotter. Wir überleben. Wieder. Angekommen in einer Provinzstadt wird der Schaden repariert, alle warten eine weitere Stunde. Danach darf ein anderer fahren, ein Alter, der fährt anständig. Wir schwitzen derweil, ich kann mich vor Müdigkeit kaum noch halten. Letzte Reihe Mittelgang. Schlafen unmöglich. Kein Sauerstoff. Nach 9 Stunden Fahrt platzt der Reifen. Auf der Schnellstraße, gerade Strecke, zum Glück. Zudem unmittelbar vor einem Reifenhändler. Zum Glücker! Wieder alle raus, es geht recht flott. Wir sind ja auch bald da. Jetzt ist wieder der Junge dran, er will es wissen. Vielleicht hat er ein Date, oder die Schnauze voll. Wie alle anderen auch. Er provoziert sein Schicksal mit seinem Harakiri Stil. Er verliert. 30 Kilometer vor Tiflis platzt die Benzinleitung erneut. Oder schmilzt. Wieder alle raus. Seit einer Stunde sitzen wir nicht mehr ganz hinten, können atmen. Hinter uns sitzen 2 Norweger, denen reicht's! Uns eigentlich auch. Sie stoppen einen Vorbeifahrenden, der ist auch noch Taxifahrer, privat natürlich. Wir teilen uns das Taxi und fliehen. Bevor die anderen Mitreisenden die Situation erfassen, sind wir weg. Nur noch weg! Wir fahren durch bis zum Flughafen, duschen improvisiert auf der Behindertentoilette. Die Laune bessert sich, die Erinnerung kommt. Georgien, das war mehr als nur das Warten auf unseren Flug. Die Fahrt war der negativ krönende Abschluss eines erlebnisreichen Reise durch ein Land das überrascht. Die Freundlichkeit der Menschen beinahe spektakulärer als die Vielfalt ihrer Landschaft. Wir kommen wieder, keine Frage, am liebsten mit dem eigenen Auto...
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