Die Zollbeamtin scheint heute nicht auf Arbeit gepolt. Gelangweilt schaut sie auf ihren Bildschirm, während wir vor ihrem Schalter warten. Ihr Desinteresse lässt noch nicht einmal zu, uns an einen anderen Schalter zu verweisen. Das machen wir dann selbst. Wäre ihr Amt nicht so wichtig, würde man sie zusammenscheißen, aber wir beherrschen uns. Beinahe stellen wir uns an den nächsten falschen Schalter, doch der korrigierende böse Blick der zweiten Zollbeamtin führt uns beinahe automatisch zum letzten verbliebenen, richtigen Schalter. Ein bisschen wie in dieser Kinder TV Show der Neunziger. Der Beamte ist dann auch auffallend freundlich, muss er doch die Unfreundlichkeit seiner Kolleginnen kaschieren. So fragt er Xenia nach ihrer Herkunft und druckt letztendlich nach gelungenem Smalltalk seinen Stempel in unsere Pässe. Wir bedanken uns und passieren. Die beiden Furien surfen derweil im Internet, während ihnen die nächsten Touristen in die Falle gehen.
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Wir erreichen Yozgat, eine Kleinstadt irgendwo im Nirgendwo. Weiter geht es nicht per Bus auf unserer Reise nach Bogaskale. Ausgangsort für die Besichtigung von Hattusa, der ehemaligen Hauptstadt der Hethiter. Gemessen an den Verkehrswirren des Bayramfestes, ausgehend von Göreme, war es für uns das realistischste Ziel. Ein dankbarer Zufluchtsort, zumindest für 2 Nächte. Doch nun ist es auch schon wieder halb elf. Mit Mustafa, unserem neuerlichen Gastwirt haben wir einen Treffpunkt am Glockenturm vereinbart, wo auch immer der sein mag. Nach dem türkischen Namen des Glockenturms zu fragen, haben wir schlicht vergessen. So stehe ich nun in der Halle des örtlichen Busbahnhofes und vor mir hat sich eine Meute Jugendlicher versammelt. Diese hat der Hallenälteste zusammengetrommelt in der Hoffnung mir gemeinschaftlich helfen zu können. Also gestikulierte ich nun, ganz dem Tabu Spiel gleich, 'Turm' und 'Uhr' bis sich die Gruppe auf ein Wort einigen kann. Das nehme ich! Gilt es doch auch, schnell die Lösung herbeizuführen, bevor der Hallenälteste einem der Jugendlichen an die Gurgel springt. Denn der hier scheint unter allen Beteiligten am aufgeregtesten. Im Drang mir zu helfen wird er bei Falschraten beinahe handgreiflich. Nachdem ich das geratene Wort mehrfach wiederhole, als wüsste ich genau, was sie meinten, deutet mir der Hallenälteste bestimmt in eine Richtung. So laufen wir schwer bepackt durch die Nacht, wobei in der Stadt selbst noch die Hölle los ist. Mitten auf dem Gehweg stellt sich uns ein Mann vor. Dies tut er so unvermittelt, dass ich ihn gleich links liegen lasse. Ich kann ja auch nicht auf jeden Menschen reagieren, der sich mir vorstellt. Stattdessen habe ich eine Mission, und die heißt 'Glockenturm'. Der ist weit und breit noch nicht zu sehen. Xenia jedoch, die wie so oft in einem 5 Meter Sicherheitsabstand läuft, weiß die Zeichen gleich zu deuten. 'Mustafa?', fragt sie erneut. Ja, wiederholt er, er sei es. Geschafft! Dann haben wir wirklich mitten im Bayram von Göreme nach Bogaskale gefunden. Zumindest beinahe, aber die restlichen 40 Kilometer durften nun nur noch das kleinste Problem darstellen.
Die Umgebung wirkt auch im Regen erstaunlich hell. Es ist früh am morgen. Sehr früh. Wir hatten uns mit Merali zum Sonnenaufgang verabredet, viertel vor fünf war ausgemacht. Die Vögel zwitschern bereits, wie lange, wissen nur sie selbst. Jetzt, da wir in der Lobby stehen, scheinen wir die einzigen zu sein, denen etwas am Frühaufstehen liegt. Ziemlich deutsch. Durch den im Dunst regenverschleierten Horizont, können wir nicht so recht ausmachen, ob die Sonne schon aufgegangen ist. Ob wir klopfen sollen, frage ich Xenia. Das wäre dann noch deutscher, erwidert sie. Verschlafen schleicht sich Merali zu uns. Der Morgen wäre es ihm nicht wert, weiter wach zu bleiben, lässt er Xenia wissen und schleicht sich wieder zurück. Wir dagegen stehen da, voll angezogen. Da Xenias Nachtruhe ein ganz scheues Vögelchen ist, beschließen wir es zumindest zu versuchen. Wir sind keine Minute unterwegs, als uns Medina nachläuft. Ihr Vater mag wieder zu Bett gehen, sie ist nun wach, erzählt sie uns. Dann sind wir halt zu dritt. Eigentlich müssen wir ja nur den Berg erklimmen, in den unser eigenes kleines Felsenzimmer geschürft wurde. 10 Minuten bergauf, mehr nicht. Auf halber Strecke läuft uns ein Streuner zu. Kein richtiger wohlgemerkt. Irgendwo hat er sicher sein Zuhause, wenn er nicht gerade streunt. Jetzt zeigt er uns den Weg, den wir eh schon kennen, hofft auf eine kleine Belohnung. Oben angekommen, wissen wir immer noch nicht, ob die Sonne zwischenzeitlich schon aufgegangen ist. Hell ist es ja, doch wir sehen sie nicht. So sieht die Umgebung auch weniger spektakulär aus, als versprochen. Zu allem Überfluss überfällt uns jetzt auch noch der Regen. Wir retten uns unter das Dach eines Souvenirverkäufers, der wie alle hier voller Gottvertrauen all seine Waren offen stehen gelassen hat. Als sich die Gelegenheit bietet, flitzen wir zurück in unser Hotel, in unser Bett. Das frühe Aufstehen hat uns weder Erkenntnisse noch schöne Bilder bescheren können. Höchstens die Zuversicht, dass wir es können, das frühe Aufstehen, sofern wir es denn müssen.
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Alles in der Welt ist nur für den da, der die Augen hat es zu sehen.
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