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Auf dem Weg um die Welt


​...und zu allem was dazwischen liegt

Auf dem Moped durch Thailand und Laos...

7/4/2018

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Wir steigen aus dem Bus, der diesmal nicht einer tiefergelegten, kunterbunten Rummelattraktion gleicht, sondern erschreckend normal daherkommt. Grün und grau, ein bisschen verbogen und eingedellt. Zweckmäßig, langweilig. Die Rikschas warten schon, doch in Gegenwart der danebenstehenden Taxis gestalten sich ihre Preise fairer. Ein Mann kommt uns entgegen, in der Hand ein Liste. Listen sind schlecht, in der Regel zumindest. Sie sollen dem Käufer ein Gefühl von Rechtmäßigkeit vermitteln, besonders in rechtsfreien Räumen. Ein fahrendes Taxi anzuhalten und ganz selbstverständlich auf den Taximeter zu verweisen, wäre die andere Option. Allerdings stehen deren Fahrer auf Kriegsfuß mit dem Taximeter. Bei hilflosen Weißen umso mehr. Wir sind müde, fast ein wenig genervt, so entscheiden wir uns für die Liste. Das Zimmer entschädigt für unsere Laune. In einem Hotel, das soweit ab vom Schuss liegt, als dass man ein solches Zimmer für schlanke 10 Euro hätte erwarten können, wollen wir uns die nächsten Tage die größtmögliche Ruhe gönnen, die wir uns leisten können.
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Es gilt einen letzten Versuch zu wagen, überland nach China zu kommen. Die Alternative schwirrt freilich schon seit geraumer Zeit in unseren Köpfen. Per Direktflug nach Hongkong, wo es Touristenvisa frei Haus gibt. Die Zeit könnte man sich schon vertun, während man auf das chinesische Visum für das Kernland wartet. Eine von leidgeprüften Überlandreisenden vielbesungene Taktik, die letztlich auch erfolgsversprechend scheint. Versüßt wird der Gedanke vom möglichen Wiedersehen mit meiner Schwester, die sich in Hongkong als Englischlehrerin versucht. In einem kleineren Land fiele die Entscheidung leichter, denn der Stadtstaat liegt nun einmal gar nicht in unserer Richtung, wenn wir doch eigentlich eher in Yunnan und Sichuan landen wollen. Deshalb letztmals der Versuch. Als wäre es ein Wink des Schicksals gewesen, bin ich zufällig bei der Recherche auf die uns doch gut bekannte Seite caravanistan.com gestoßen, die sich hauptsächlich an Weltreisende richtet. Dort gab es neben hilfreichen Erfahrungsberichten zu sämtlichen Visas und Konsulaten, den Hinweis, es doch einmal in Chiang Mai zu probieren. Nicht nur wegen unserer bisherigen Erfahrungen mit den chinesischen Konsulaten und dem Wissen, dass Visa für Ausländer in Bangkok, Yangon, Kuala Lumpur und Vientiane inzwischen aussichtslos sind, bleiben wir skeptisch. Dabei sollte die Zuversicht unser einziger Strohhalm bleiben, während die Flüge nach Hongkong Tag für Tag teuerer werden.
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Wir leihen uns ein überteuertes Moped und fahren zum Konsulat. Die hiesigen Erfolgsaussichten haben sich dem Anschein nach bereits herumgesprochen. Nicht wenige Ausländer warten mit ihren dicken Bögen aus Anschreiben, unzähligen Kopien und Reiseplänen vor den drei kleinen Fenstern, die über Glück und Unglück entscheiden. Naiv, als wüssten wir von nichts, fragen wir die freundliche Dame, ob wir denn ein Visum für unsere geplante Reise ins Reich der Mitte erhalten könnten. Ja, prinzipiell schon, meint sie, als wäre die Ausstellung eines Visums für jedermann das Normalste der Welt, an einem solchen Ort. Wir erklären, dass wir gern über Laos einreisen wollten, ob es denn da Probleme gebe. Nein, wenngleich ein Flug dennoch die unkompliziertere Alternative wäre. Wir sollten mindestens drei Nächte vor und nach dem Grenzübertritt vorbuchen und einen detaillierten Reiseplan vorlegen, dann stünden unsere Chancen nicht allzu schlecht. Kein Erlaubnisschreiben von der deutschen Botschaft, kein Bankstatement, keine Versicherung. Spezielle Passbilder in maoistischer Arbeiterkluft, die wir bereits in Bangkok haben machen lassen, bleiben die einzige exklusive Anforderungen. Aber die hat, wie wir inzwischen wissen, jede chinesische Vertretung.
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Am nächsten Morgen geht es ans Eingemachte! Wir werden an ein anderes Fenster verwiesen, hinter dem uns eine wesentlich neutralere, roboterähnliche Gestalt bereits wieder an unseren Erfolgsaussichten zweifeln lässt. Kalt prüft sie unsere Unterlagen und bittet uns danach, doch ersteinmal Platz zunehmen, neben den anderen nervösen Weißen. Eine zweite Frau tritt ans Fenster, vermutlich der Entscheider, unser Gegner in diesem Spiel. Eine Portugiesin wird ans Fenster gerufen, erklärt sich gebrochen. Wohin, woher und vorallem warum?! Die Diskussion bleibt friedlich, kein übertriebener Ausdruck von Enttäuschung beendet ihr Gespräch. Ein gutes Zeichen. Ein hipper Amerikaner folgt. Auch er scheint zufrieden. Nun werden wir gerufen. Eine ältere Dame fragt uns höflich nach unseren Reisezielen und wo wir bei unserer letzten Reise so gewesen seien. Keine Frage nach unserem alten Pass, Gottseidank! Die darin enthaltenen türkischen und iranischen Feindvisa hätten durchaus zum Problem werden können. In verstörender Klarheit fallen mir alle unaussprechlichen, unmerkbaren Orte ein, die wir neben Xi'an zuletzt in China besucht hatten. Mit einem Nicken wertschätzt sie unsere Liste, schöne Orte seien das. Nun gut, zwei Wochen könne sie uns geben. Ungläubig fragen wir nach, als stünden wir unmittelbar vor einem unverrückbaren Kuhhandel. Nein, zwei Wochen, das ginge gar nicht, erklären wir. Vier Wochen seien schon knapp bei der Größe des Landes, wobei wir nicht erwähnen, eigentlich acht Wochen im Land zu bleiben zu wollen. Sie überlegt. Ein gutes Zeichen, zwei Wochen oder gar nicht, die Alternative. Eher affektiert als geplant, fangen wir an zu handeln. Wir hätten auch einen zufriedenstellenden Kontoauszug dabei... Ja, den könnten wir mit einreichen. Und Kopien von unserer Versicherung. Oh, ja, die interessiere sie auch. Ob wir noch etwas anbieten könnten, neben den Kopien unserer alten Pässe? Ja, möglicherweise könnten Kopien von unserem Personalausweis oder Führerschein unsere Chancen erhöhen. Gut, die könnten wir noch machen. In wenigen Minuten kämen wir wieder. Als wir letztlich die roten Abholscheine in den Händen halten, können wir unsere Euphorie kaum noch bremsen. Jetzt müsste es schon mit dem Teufel zugehen...
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Derweil haben wir uns für die Zeit des Wartens auf eine Motorradtour verständigt. Chiang Mai, die zweitgrößte Stadt des Landes, ist nicht nur selbst ein lohnendes Ziel für jene, denen die Strände zu langweilig werden, sondern vor allem auch Ausgangspunkt für Fahrten in das bergige Umland. Kleine Dörfer, diverse Ethnien und Hippieenklaven. Auf unserer letzten Reise fuhren wir bereits im Bus die Runde durch Mae Hong Son, seines Zeichens Provinz mit gleichnamiger Provinzhauptstadt. Etwas abgeschieden liegt sie, in unmittelbarer Nähe zur burmesischen Grenze, einzig getrennt durch den höchsten Berg Thailands zur größten Stadt des Nordens. Durch die Grenznähe und die gleichzeitige Abgeschiedenheit zur Mitte des Landes, konnte sich die Provinz neben ihrer natürlichen Schönheit ihre Vielfalt und Ländlichkeit bewahren. Wenn auch das Land bei weitem nicht mehr so ursprünglich ist, wie sein entwicklungsverzögerter Nachbar. Wir planen zehn Tage. Nur wir und die Straße! Was ein wenig pathetisch klingt, erklärt sich, wenn man gerade auf bestens asphaltierten Bundesstraßen dennoch minutenlang ohne Gegenverkehr bleibt. In Thailand zumeist ein seltenes Gefühl.
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Ein 150 Kubikzentimeter starker, wirklich für zwei vollwertige Menschen ausgelegter Roller, soll es richten. Mit einer zusätzlichen Box verstauen wir unser benötigtes Gepäck und fahren los. Ein Weilchen brauchen wir, um dem Trubel der Großstadt zu entkommen und endlich die passende Abzweigung zur Provinz zu nehmen. Dabei müssen wir ein wenig taktisch vorgehen. Alle Straßen in südlicher Richtung durchqueren den Doi Inthanon Nationalpark, was selbstverständlich in einer saftigen Eintrittsgebühr mündet. Wir aber haben gar nicht vor, uns irgendetwas in dem, zu dieser Jahreszeit extrem trockenen Park, anzuschauen. Doch noch liegt das vermeintliche Zollhäuschen einen Tag entfernt. Zuvor wollen wir in Mae Wang bei einem Exilschweizer nächtigen und ihn über mögliche Parkeintrittsvermeidungsstrategien ausfragen. Er macht uns wenig Hoffnung und kaut uns stattdessen ein Ohr ab. Wenngleich die folgende Unterhaltung tatsächlich interessant ist. Vor beinahe 30 Jahren sei er, Frank, geflohen aus Locarno und den Bergen der Südschweiz. Ein ebenso lohnendes Reiseziel, gebe ich zu bedenken. Nicht wenige Menschen ließen nicht wenig Geld in der Region. Ja, das stimme. Aber die Schweiz sei doch kalt, die Menschen noch kälter. Hier dagegen gebe es zwei Monate Winter, überraschenderweise auch kalt und die Menschen kennen sich wirklich. Seine Frau habe ihm die Entscheidung schließlich leicht gemacht, wo er leben wolle. Er wäre hier weniger fremd, als es seine Frau in Europa gewesen wäre. Vor ein paar Jahren sei er das letzte Mal in der alten Heimat gewesen. Keine zwei Wochen hätte er da verbracht, bis er schon wieder zurück wollte.
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Er warnt uns zusätzlich. Nachts sollten wir hier nicht mehr fahren, dann gehöre die Straße den Betrunkenen. Gerade die Dörfler hätten hier ernsthafte Alkoholprobleme. Er könne inzwischen schon aus Erfahrung und hundert Metern Entfernung sagen, wer sich hier bereits einen hinter die Binde gekippt habe. Ihm sei immer unwohl, wenn sein Sohn wochenends von der Uni nach hause komme. Allein die Entfernungen und die Häufigkeit der Fahrten, machten Unfälle in diesem Land so wahrscheinlich. Auch die Regierung habe wenig Einfluss darauf. Doch, doch, meinen wir. Die stünden eifrig an den Straßen. Wir wurden schon dreimal kontrolliert, in drei Tagen, bemerke ich schelmig. Wohlwissend, dass das Interesse der Polizei eher der, bei Ausländern höchstens zufällig anzutreffenden, Internationalen Fahrerlaubnis gilt. Einheimische, ob mit oder ohne Schein, würden dagegen meist großzügig durchgewunken. Man pinkelt sich ja nicht selbst ans Bein. Die Überraschung über meine tatsächlich vorhandene Internationale Fahrerlaubnis wurde dagegen meist großspurig überspielt, als sei sie in einem Land, wo selbst Kinder Motorrad fahren, die normalste Sache der Welt. Wer sie jedoch nicht dabei hat, muss nicht etwa absteigen. Nein, man bezahlt einfach die Einmalstrafe in Höhe von etwa 25 Euro, oder weniger - mit etwas Geschick gleich beim Polizisten. Dann ist man entlassen, aber nur bis zur nächsten Kontrolle...
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Am nächsten Morgen brechen wir auf. Diesmal so richtig. Eine Motorradtour, auch wenn sie auf einem Roller angegangen wird, zählt erst ab freier Fahrt in freiem Gelände, heißt es in einer Bikerweisheit. Dies gilt umso mehr für mich. Die Freiheit ruft, geschmeidige Kurven und die sanfte Neigung des Motorrads im Gleichtakt ebenso. Links, rechts, links. Gleichmäßig einbremsen, neigen, Gas beibehalten und sanft herausbeschleunigen. Der Wind weht mir um den Helm, die pure Leistung schmaler 150 Kubik zwischen den Beinen, die eigene Braut im Rücken. Spätestens ab jetzt bin ich Rocker, ungezähmt, ungebremst. Halt sagt Xenia, wir fahren falsch. Wie immer fahren wir dann eigentlich genau richtig, denke ich. Und doch habe ich die Abfahrt verpasst und fahre deshalb missmutig ein paar Kilometer zurück. Ich habe so ungern Unrecht! Und an meine Navigationskünste lasse ich normalerweise nichts rankommen, schon allein aus Erfahrung. Hätte man ja mal eher was sagen können, raune ich meine Co-Pilotin an. Die lacht sich ins Fäustchen. Biker haben keine Zeit für Freundlichkeiten, heißt es in einer weiteren Bikerweisheit. Ihr Ziel das ist die Ferne, ihr Fokus allein die Straße.
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Die Landschaft zieht an uns vorüber, ohne sonderlich abwechselnd zu werden. Sie liegt in einem stetigen Dunst, der einem den Blick in die Ferne nimmt. Frank hatte uns vorgewarnt. Um diese Jahreszeit würden alle Bauern der Umgebung ihre Felder niederbrennen, um fruchtbare Böden für die nächste Aussaat zu schaffen. Ein milchig grauer Nebel, der sich zwischen den Hügeln des Umlands festsetze, sei die Folge. Wenn man es nicht besser wüsste, hätte man diesen trüben Blick in die Ferne dennoch als typisch für Südostasien empfunden. Klare Aussichten sind hier eher selten und selbst eher jahreszeitlich bedingt, gerade dann, wenn die einmal jährlich einsetzenden Monsunregen für kurze Zeit die Himmel reinwaschen. Der Monsun ist vorüber, der Frühling steht vor der Tür und das Land ist trocken. Die Saison in Thailand folgt ihrem eigenen Rhythmus. Neben ausgedörrten Gräsern und und dicken, zusammengewehten Haufen Kiefernnadeln, liegen riesige braune Blätter auf der Straße. Denn genau zur Trockenzeit verlieren die allgegenwärtigen Teakholzbäume ihre esstellergroßen Blätter. Verkehrte Welt nördlich des Equators: im nassen Herbst sprießen die Blätter in ihrem saftigsten Grün, im Frühling fallen sie braun und trocken. Nebenbei behindern sie die ambitionierteren Verkehrsteilnehmer. Ihr Umfang reicht aus, um so manches Schlagloch zu überdecken. Praktischerweise wurden die so langsam wachsenden Bäume mit ihren auffallend geraden Stämmen unmittelbar neben den Straßen gepflanzt. Dies wird eines Tages ihre Ernte ungemein erleichtern.
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Wir fahren inzwischen schon so lange unbehelligt auf der Straße, dass unsere Zuversicht steigt, ohne unnütze Abgaben unser heutiges Etappenziel zu erreichen. Frank hatte uns wenig Hoffnung gemacht, doch im Moment sieht es ganz gut aus, denken wir. Ein improvisierter Checkpoint auf der Straße blieb unbemannt, um kurz nach zwölf, genau zur Mittagspause. Die wäre auch unsere größte Chance, meint Frank. Denn das Mittagessen mit anschließender Ruhe sei dem Thailänder heilig. Selbst die Verkehrspolizei in Chiang Mai unterbrach ihr korruptes Treiben zwischen zwölf und eins. Nun gilt es in dem einstündigen Zeitfenster, drei Kontrollpunkte finanziell unbelastet zu überstehen. Die zweite, angekündigte Kontrolle finden wir dabei gar nicht erst und kommen kurz nach eins am letzten Hindernis an. Wir sind beinahe durch. Kurz vor Ende des Parks lockt ein jetzt gerade vermutlich trockener Wasserfall und irgendein Aussichtspunkt. Eine Schranke versperrt die Straße und ein junger Geselle mit dem unsicheren Auftreten eines Grundwehrdienstleistenden betritt die Szene. Nationalpark, fragt er. Nein, Mae Chaem, unsere knappe Antwort. Ohne Diskussion dürfen wir weiter. Vermutlich aber auch, weil der Abzweig zurück in den Park keine hundert Meter entfernt in Sichtweite liegt. Kurz darauf erreichen wir Mae Chaem. Auch wenn uns Frank den Ort als besonders schön angepriesen hat, liegt wenig Flair in der Luft. Wir finden eine schöne Bleibe und genießen ein kühles Bier. Glückliches Bikerleben!
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Am nächsten Morgen durchbrechen schwere Trommelschläge die Stille. Mal wieder irgendeine Prozession. Der Blick aus dem Fenster offenbart die Richtung. Kleine Grüppchen junger Mönche kommen offensichtlich ihren religiösen Pflichten nach und laufen dem kleinen Tempel jenseits der Felder entgegen, um der Prozession beizuwohnen. Wir folgen ihnen nach Frühstück und Packen. Da ist das Fest selbstverständlich bereits vorüber. Die über vier Meter langen Trommeln stehen noch. Der Länge nach liegen sie auf einem Gestell, dass dem Unterbau schwerer Kanonen ähnelt. Ihre dumpfen Schläge bringen Fruchtbarkeit, erfahren wir. Ein wenig bleiben wir noch, bis wir uns erneut auf unsere Maschine schwingen. Die Feiergäste schauen uns nach, als wir auf staubigen Wegen davonrattern. Auf dem Weg liegt eingebettet in trockenen, gelben Reisfeldern, eine Kristallhöhle. Wir folgen den löchrigen Wegen hinauf zum Berg, vorbei an riesigen, in Kalkfelsen eingewachsenen Feigenbäumen. Ab dem wie so oft überraschend großen Besucherzentrum bringt uns ein Pickup die letzten Kilometer zum Naturwunder. Die Höhle selbst ist recht klein und sicher nichts für Klaustrophobiker. Ihre Besonderheit besteht in den Millionen kleiner transparent silbrig funkelnder Kristalle, die sich über viele Hunderttausend Jahre entlang der Höhlenwände gebildet haben. Insgesamt ist sie weit weniger spektakulär, als es die Bilder oder die Tatsache nur eine von zwei vergleichbaren Höhlen zu sein, hätte vermuten lassen. Und dennoch ist sie uns eine willkommene Abwechslung zu unserem gesäß-strapaziösem Bikeralltag...
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Über das eher unspektakuläre Mae Sariang gelangen wir auf den zweifellos schönsten Abschnitt unserer kurvenreichen Rundfahrt. Die etwa 200 Kilometer zwischen Mae Sariang und Mae Hong Son teilen wir uns in zwei entspannte Tagesetappen. Kleine Verkaufsstände am Wegesrand preisen über ihre Auslage die über 1850 Kurven des Motorradeldorados. Sanfte Anstiege durch die inzwischen wesentlich grünere Natur, machen unsere Fahrt inzwischen noch interessanter, als die Tage zuvor. Allzu oft halten wir nur um innezuhalten und durchzuatmen. An einer Raststätte hält der hiesige Porscheclub. Auch er scheint Gefallen an den vielen Kurven und den guten Straßen gefunden zu haben.
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Sebastian, der Expat und sein italienischer Expatkollege klären uns auf, was es mit dem Luxus einiger weniger in Thailand auf sich habe. Immerhin gebe es eine Steuer von etwa 100 Prozent auf vergleichbare Produkte und gemessen am Durch-schnittslohn, kostet ein Porsche oder Ferrari hierzulande das Zehnfache, als er in Deutschland kosten würde. Wir treffen die beiden in unserer malerischen Unterkunft, die soweit abseits der Straße liegt, dass wir sie beinahe nicht gefunden hätten. Umso mehr sind wir überrascht, zwei Feierbiester an einem solch ruhigen Ort anzutreffen, die sich selbst eine kurze Auszeit von ihrem Arbeitsalltag gönnen. Sebastian kommt aus Wien und ist studierter Informatiker. Komplexe Websitenerstellung, so sein Profil. Eines Tages erhielt er ein Angebot, das er nicht ablehnen wollte. Arbeiten in Thailand, zu westlichem Lohn und Urlaub. Sein italienischer Kollege schaut neidisch. Lohn ja, Urlaub nein. 8 Tage hat er. Im Jahr, versteht sich. Ob ihm die Arbeit noch Spaß macht, fragen wir Luciano. Sicher, auch wenn sie einsam mache. So richtig lerne man hier niemanden kennen, meint er. Auch nach drei Jahren nicht. Die selbstbestimmten Frauen mit westlicher Bildung und dem entsprechenden Hintergrund könnten sich keine Beziehung mit einem Europäer vorstellen. Da habe die heimische Männerschaft schlicht zuviel zu bieten. Und die Frauen, die vorallem nach Sicherheit strebten und damit noch immer die Mehrheit der Bevölkerung abbildeten, seien für ihn uninteressant. Sein Interesse scheint typisch für den klischeebehafteten Weißen, der es sich in Thailand bequem gemacht hat und ist doch für uns, gerade nach drei Jahren im Ausland, mehr als nachvollziehbar.
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Beide erzählen über das Leben in der Hauptstadt, die Vielfalt als auch die Vielfalt des Unrechts. Es gebe einen kleinen Kreis unvorstellbar reicher Menschen, denen beinahe die gesamte Stadt gehöre. Die überboten sich gegenseitig mit ihren Einkaufszentren. Wer soviel kaufen könnte, fragen wir. Die Thailänder doch sicher nicht. Bei den Shopping Malls ginge es gar nicht um zielgerichtetes Kaufen, erklären sie. Vielmehr seien diese eine Möglichkeit zur Freizeitgestaltung. Der asiatische Großstädter schufte die ganze Woche und an seinem freien Tag ginge er dann mit Kind und Kegel in die Mall. Deshalb auch die ganzen Restaurants. Die richtig großen Malls böten zudem Kinos, Fitnessbereiche, Kinderspielplätze und Betreuungs-einrichtungen. Einfach nur, damit alles für denjenigen abgedeckt sei, der es an seinem einzigen freien Tag eh nicht aus der Stadt schafft. Das erkläre einiges, finden wir. Zudem würden ständig Wohntürme gebaut, in denen niemand wohnte. Dubiose Baugeschäfte, die am Interesse der Mehrheit vorbeizielten. Auch sie würden in einem dieser Türme wohnen mit einer Auslastung von etwa 30 Prozent. Als sie einzogen, seien es keine 10 gewesen. Warum man die Mieten dann nicht billiger mache, fragen wir. Da ginge es, wie so oft, einzig um Exklusivität. Und warum man etwas baut, was offensichtlich niemand braucht, können wir uns gerade noch vorstellen. Trotzdem möchten sie das Leben nicht missen. Sebastian sei passionierter Taucher und würde sich schon ab und an einen Wochenendtrip auf eine der nahegelegenen Taucherparadiese gönnen. Auch die Arbeit gefalle ihm, wenngleich er sich niemals an den hiesigen Arbeitsrhythmus gewöhnen könne. Lang und vergleichsweise ineffizient seien die Arbeitstage hier. Und gemacht werde nur, was explizit in der Stellenausschreibung stünde. Früher habe er grobe Arbeitsprofile erstellt, bis man ihm einen angefragten Botengang innerhalb der Arbeitszeit mit der Auflistung anfallender Tätigkeiten konterte. Nun schreibe er seitenlange Listen, aber auch daran könne man sich gewöhnen, sagt er...
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In Mae Hong Son, an welches wir, trotz seiner entspannten Schönheit, eher unliebige Erinnerungen haben, verbringen wir nur eine Nacht. Zulange waren wir das letzte Mal hier, als wir unseren hier erlittenen Mopedunfall auskurieren mussten. Danach brauchte uns auch niemand mehr erklären, warum man im Land ständig lädierten Touristen begegnet. Schon ein wenig Sand auf dem Asphalt einer etwas zu schnell gefahrenen Kurve, beförderte uns bei schreckhaftem Bremsen direkt in den Straßengraben. Schon vierzig Stundenkilometer tun dabei erstaunlich weh. Niemals wieder testeten wir danach nochmals die Grenzen der Traktion auf zwei Rädern.
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Dafür bleiben wir umso länger in Pai. Das haben wir uns auch verdient. Pai ist, trotz seiner überlaufenen Kommerzialisierung und seiner expliziten Ausrichtung auf Hippies, Backpacker und Abenteurer ein wunderbarer Ort. Kleine Gassen, hippe Kaffees und ein ausladender Markt, lassen speziell Xenias Herz höher schlagen. Wir schlafen in der selben Unterkunft, wie schon das letzte Mal. Die Ruhe treibt uns aus dem Zentrum. Verlegen hatten wir damals Guy, den französischen Besitzer, mit verstohlenem Blick auf seine malerischen Häuschen gefragt, die auch so gar nicht nach unserer Preisklasse aussahen, ob wir nicht doch genau dort für ein paar Tage Ruhe finden könnten. Nachdem er uns gemustert und für normalere Vertreter unserer Altersklasse befunden hatte, fragte er, wieviel wir denn zahlen würden. So 600 Baht, war unsere bittende Antwort. Ja, dann sollten wir eben 600 Baht zahlen, die seine. Jetzt allerdings sei er nicht da, erklärt uns sein Stellvertreter. Der Herr befinde sich in der Heimat und käme erst zurück, wenn das Wasser des eigentlich wilden Flüsschens höher stünde. Denn eigentlich betreibt er ja die Kayaktouren im Ort.
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Mal wieder ein paar Tage Nichtstun versprechen Ruhe mit zeitweiligem Kontakt zum Trubel. Das Frühstück genießen wir noch im Ort, wenn selbst bis kurz nach Mittag alles schläft. Selber Spätaufsteher, lösen wir die yogatreibenden Ichkennemeinenkörpermenschen ab, die einsam vor Zeitung oder Laptop ihre Tagesplanung austarieren. Wenn wir dann selbst gehen, nach einem kräftigen Kaffee und einem fruchtigen Müsli, schleichen die ersten Feierbiester durch den Ort. Das ist der stete Rhythmus Pais, in dem niemand dem anderen absichtlich auf die Füße tritt und ein jeder netter Mensch seine Daseinsberechtigung hat. Ein nostalgischer Gedanke leitet uns, als wir erneut die Pai Schlucht besuchen. Sie ist ist ein willkommenes Ausflugsziel für Menschen mit gewissensbereinigendem Ausflugswunsch. Es ist wenig los in der trockenen Schlucht. Ein einsames Hochzeitspaar, das sich mit Stativ die eigenen Hochzeitsfotos schießt, ist noch das größte Highlight. Dann doch lieber Stadt, doch lieber Rummel und Umtrieb.
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Selbst die Polizei sehen wir weit weniger, als uns derlei Warnungen vorab glauben machen wollten. Wo immer große Gruppen ausländischer junger Menschen in Thailand zusammenfinden, ist der Staatsapparat nicht weit. Ihm geht es dabei kaum um das Recht, noch weniger um Moral, als einfach nur um's Geld! Der Ruf der sensationell korrupten Polizei des Landes eilt ihr andernorts einschlägig voraus. Ein Polizist verdient, so erklärt man uns, in etwa 150 Dollar im Monat. Das ist auch in Thailand ein weit unterdurchschnittlicher Lohn. Natürlich kann ein Polizist diesen durch strikte Verfolgung ahndungsfähiger Delikte aufbessern. Tatsächlich führt das aber dazu, dass man sich aus beinahe allem freikaufen kann, wenn die gebotene Summe unter der vorgesehenen Geldstrafe liegt. Richtig lukrativ wird es aber erst bei drohenden Haftstrafen. Vor dem Hintergrund mehrerer Toter in siamesischen Gefängnissen, ist der ertappte Tourist sicher bereit, vor den Augen des Ertappers sein Konto zu plündern, sofern eine Anzeige ausbleibt. Natürlich beziehen sich solche Vorgänge hauptsächlich auf Drogendelikte, die immer genau da zu finden sind, wo Jugend und Party aufeinander treffen. Auch wir können da zwangsläufig nur noch mit dem Kopf schütteln. Allerdings mehren sich die Berichte, dass die Dorfpolizei bei schlechter Quote durchaus gewillt ist, ein wenig nachzuhelfen. Auch Sebastian erzählt uns von einem ähnlichen Erlebnis, als bei einer Verkehrskontrolle plötzlich ein Tütchen Kokain von wo auch immer aufgetaucht ist. Er habe Glück gehabt, dass ein Arbeitskollege ebenfalls vor Ort gewesen sei, der als Landsmann genau gewusst habe, welchen Ton man anzuschlagen habe. 1000 Baht habe er dennoch zahlen müssen, erklärt er. Eine Summe, deren bescheidene Höhe bestätigt, dass es keinesfalls echtes oder gar sein Kokain gewesen sein kann. Auf der anderen Seite kauften sich die Obersten des Landes für echte Straftaten frei, wenn es ihnen das Leben leichter machte.
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In unserem absoluten Lieblingsrestaurant speisen wir am letzten Abend, genau wie den Abend zuvor. Ein Tipp von Guy. Umso glücklicher sind wir das Lokal noch immer vorzufinden. Die Preise müssten uns eigentlich vertreiben, auch wenn sie sich gerade auf deutschem Gasthausniveau bewegen. Und doch können wir der thailändischen Küche kaum wiederstehen, erst recht nicht, wenn sie von einem ehemaligen Spitzenkoch aus der Hauptstadt kredenzt wird. Es gibt Bananenblütensalat mit Röstzwiebeln und Nüssen, dazu süßes Hähnchen in Limette oder gebeiztes Schwein süß sauer. Es tropft der Zahn!
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Am nächsten Tag sind wir schon wieder in Chiang Mai und holen die Pässe ab. Eine unspektakuläre Prozedur, die mit der Abgabe des Abholscheins beginnt und mit der Bezahlung schmaler 30 Euro pro Visum endet. Wir können es kaum glauben und prüfen ungläubig, ob wirklich das Visum eingeklebt ist. Die Damen sind derlei Reaktionen vielleicht schon gewohnt, zumindest von Reisenden wie uns, denen Chiang Mai der letzte Ausweg ist. Von dieser Sorte scheint heute sonst kein anderer anwesend. Also verlagern wir unsere Freude vor die Mauern der Botschaft, bevor es uns unter all den normalen Aspiranten zu peinlich wird. Auf chinesischem Boden ist kein Platz für Neurosen. Noch ein letzter Gruß zum Sicherheitsbeamten vor den Toren, der selbst so jovial nickt, als hätte er unsere Anträge persönlich bearbeitet.
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Die Gedanken überschlagen sich. Was wir jetzt alles machen können! Die ange-gebene Liste von hier bis ins reisepolitisch irrelevante Hongkong hat für uns nun keinerlei Bedeutung mehr. Schon auf dem Roller gehen wir die neue, die echte Reiseroute durch. Vor lauter Ablenkung fahren wir den freundlichen Fliegen-fängern von der Verkehrswacht in die Arme. An einer Kreuzung mit Zwingpfeil fahren wir geradeaus - wie alle anderen auch - weil der Zwingpfeil in einer Stadt voller zwei- und dreispurigen Einbahnstraßen einen zu großen Umweg bedeutet hätte. 500 Baht bitteschön, unter Einbehalt unserer Pässe, zu zahlen auf der nächsten Wache. Da denken wir natürlich gar nicht dran und fangen an zu handeln. Weder gefallen uns Umweg, Umstand, Unkosten. Und 500 Baht hätten wir eh nicht. Wir schlagen 100 vor, der Beamte eher 200, etwa 5 Euro. Xenia verbirgt das immer noch etwas zu pralle Portemonnaie, vor den gierigen Blicken des Polizisten, der sich bei genauerer Sicht vielleicht doch noch an die Ausgangsforderung erinnert, während sie die Summe möglichst passend herauskramt. In geübter Bewegung wandert das Geld so unauffällig von ihrer Hand in die seine, dass man hätte vergessen können, gerade noch den Gegenwert von 4 leckeren Suppen in der Hand gehalten zu haben.
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Ohne zuviel Zeit zu verlieren, organisieren wir unsere Weiterreise. Päckchen bei der Post, eine Tempeltour für's Album und nocheinmal schön Essen beim Fischbällchensuppenmann um die Ecke. Negativ überrascht werden wir dennoch, als wir unsere Weiterfahrt zur Grenze planen. Komplett ausgebucht - zum ersten mal in dem Busfahrland schlechthin und in insgesamt etwa vier Monaten Thailand. Alles hadern hilft nichts, wir schlafen noch eine Nacht in Armlänge zum Busbahnhof und buchen den ersten Bus am nächsten Morgen. Der fährt nach Chiang Rai, eigentlich schön genug für einen Zwischenstopp. Doch reicht unsere Zeit gerade noch für eine Khao Soi bei den bösen Schwestern. Die ist vermutlich die beste des ganzen Landes und das Gericht eines der leckersten Gerichte des Subkontinents.
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Für alle Hobbyköche nun eine kleine Anleitung zum Nachmachen. Man kaufe eine Packung Hähnchenschenkel und Suppengemüse, gieße sie kalt auf, würze im Stile einer Hühnerbrühe und lasse sie langsam kochen. Sobald das Fleisch nach etwa einer Stunde weich ist, nehme man die Schenkel aus dem Topf und lasse sie abkühlen. Dann pult man das Fleisch vom Knochen, denn wie der Gourmet weiß, ist gepultes Hähnchen das bessere Hähnchen und Schenkelfleisch das ideale Pulfleisch. Die ganz Ambitionierten geben die Knochen zurück in den Topf und kochen weiter, je länger, je besser. Ansonsten aber Brühe abpassieren und mit Kokosmilch, Limettensaft, ordentlich Knoblauch, Zitronengras und Chili angießen und je nach Geschmack würzen. Nebenher portionsgerecht Tagliatelle kochen, natürlich nicht zu weich. Die Nudeln in eine Suppenschale geben, dazu das Hähnchenfleisch, Röstzwiebeln, frisch gehackter Koriander obendrauf. Schließlich das Ganze mit der Brühe aufgießen. Zusätzlich kann man noch den typischen, leicht chilischarfen feingehackten Weißkrautsalat beistellen, den man beinahe in ganz Ostasien findet. Fertig. Lecker.
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Stumm landet das Essen auf unserem Tisch. Die Damen des Hauses wissen offensichtlich um die Qualität ihres Produkts, weswegen, sie sich überflüssige Gesten oder gar Höflichkeiten verkneifen können. Die Zeit drängt, weshalb wir die Suppen eher schlingen als genießen. Auch die drei bösen Frauen, ihrer Ähnlichkeit zufolge offenbar Schwestern, sind heute gar nicht so übellaunig und streitlustig, wie wir sie vor vier Jahren kennengelernt hatten. Gern hätten wir nachbestellt, doch lieber eine als keine Suppe, das war der stumme Deal. Wir sind so knapp dran, dass Xenia noch nicht einmal angemessen den flauschigen Spitz streicheln kann, der freundlich, wie alle seine Artgenossen vor einem Reisebüro lungert. Ok, selbst in der größten Hast ist eine Minute Streicheln, pures Seelenheil, für Xenia immer drin. Der Kollege versteht es, hechelt lachend: Los streichel mich, dafür bin ich hier!
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Die knapp zwei Stunden entfernte Grenze passieren wir in aller Zweckmäßigkeit. Ein Kleinlaster mit Sitzbänken auf der Ladefläche, bringt uns auf der anderen Seite zum Busbahnhof des Grenzortes Huaixay. Eine gute Stunde müssten wir noch warten, bis uns ein Bus zum endgültigen Ziel unseres heutigen Tages bringt. In der Zwischenzeit kann man noch etwas essen. Obwohl nur wenige Kilometer über den Fluss, ist das Nachbarland aus kulinarischer Sicht bereits Lichtjahre entfernt. Gefühlt ist Laos noch immer ein Bauernstaat und gekocht wird, was satt macht. Unsere erste Suppe können wir bei aller Liebe nicht essen, weil sie so anders aussieht als auf dem Bild und sie eigentlich nur irgendwas vom Rind mit Kräutern in heißem Wasser ist. Richtiges Fleisch sehen wir jedenfalls keines. Wir schwenken um auf Nudelsuppe, klar ersichtlich Nudeln in Wasser, die ich aufgrund einer dunklen Vorahnung gleich bestellt hätte. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Inzwischen kommt der Bus an. Der fährt in 5 Stunden nach Luang Namtha und hat statt Sitzen doppelstöckig Betten eingezogen. Wir machen es uns so bequem, wie man es sich auf einem gut anderthalb Meter kurzen Doppelbett machen kann und überstehen die letzten 190 Kilometer.
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Wir beziehen ein kaltes Zimmer in einem Gasthaus, von dem wir froh sind, dass es noch geöffnet ist. Laos ist dünn besiedelt, das merkt man vorallem in den größeren Städtchen. Die haben auch als Kreisstädte oft nur die Ausdehnung eines mitteldeutschen Dorfes. Am nächsten Morgen prüfen wir, wie wir ins Umland gelangen können. Fortbewegungsmittel der Wahl ist selbstverständlich der Motorroller, wenngleich die Aussicht auf etwa 60 Kilometer Schotterpiste die Vorfreude ein wenig einschränkt. Laos ist ein noch immer stehen gebliebenes Land, in dem sich die Gesellschaft vielerorts bisher noch kaum verändert hat. Das betrifft speziell den Norden, der oberhalb der Hauptstadt lange vom Fortschritt verschont geblieben ist und noch spezieller vielen Ethnien des Landes. Allein in der Gegend um Luang Namtha lassen sich 10 verschiedene Minderheiten besuchen, die allein durch Dörfer voneinander getrennt leben und die sich trotz ihrer Gemeinsamkeiten, ihre Unterschiede bewahren konnten. Gegenseitig graben sie sich nicht das Wasser ab und überlassen sich verschiedene Gewerbe.
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Die Holperpiste wird ihrem Namen mehr als gerecht und lässt, wie so oft in diesen Gefilden, nicht vermuten, an ihrem Ende doch noch ein richtiges Städtchen vorzufinden. Ihrem zwischenzeitlichen Verlauf zu schließen, hatten wir höchstens mit ein paar Häusern gerechnet. Und doch ist Muang Sing, wenn schon nicht ansehnlich, doch zumindest zweckmäßig. Selbst für Laos ist dieser Ort, der sich nach hiesigem Empfinden Stadt nennen darf, ausgesprochen ländlich. Man fragt sich wer oder was hier mehr fehl am Platze ist, die Maschinen auf den Feldern oder die Tiere auf den Straßen. Halbwild belagern sie die Wege, man fragt sich nur, wie am Ende ein jeder noch wissen kann, was zu wem gehört. Die Büffel wie die Schweine - ein jeder scheint hier seine Freiheit zu genießen. Auch die Hunde folgen zielgerichtet ihren Wegen, als hätten sie Termine.
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Wir essen erstaunlich gut bei einem Exilanten aus der Touristenmetropole Luang Prabang, der sich im Umgang mit unsereins auszukennen scheint. In der etwa 300 Kilometer entfernten, wunderschönen Stadt am Mekong sei das Leben inzwischen unleistbar geworden und die Konkurrenz zu groß. Da versuche er sein Glück lieber hier, wo man noch mit Zuwächsen rechnen könne. Hart sei es, wenig überraschend, aber trotzdem. Sein Sohn lebe aber immer noch dort unter der Obhut seiner Eltern. Das Bildungsangebot sei natürlich um einiges besser, auf familiären Zusammenhalt könne man da keine Rücksicht nehmen. In gutem Englisch erklärt er uns seine Wertschätzung für den Individualtourismus an solchen Orten. Diese Reisenden wüssten wenigstens, worauf sie sich einließen. Luang Prabang sei inzwischen so populär, dass sie von westlichen Reisegruppen belagert würde. Die brächten zwar mehr Geld, würden aber mit ihrem Anspruch die lokale Infra- und Arbeitsstruktur überfordern. So würden gerade diese meist westliche Küche erwarten, am besten noch in westlicher Qualität, die von Laoten zu östlichen Preisen zubereitet werden müsse. So erzählt er uns von seinem ehemaligen Chef, der auf 30 Filetsteaks sitzen geblieben sei, weil die französische Reisegruppe nicht mit deren Garpunkt einverstanden gewesen sei. Für einen meist klammen Gastronomen des Landes sei das beinahe existenzbedrohend.
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Wir fahren über die Straßen des Umlandes und gelangen in die besagten Dörfer. Die Fotografierunwilligkeit ihrer Bewohner tut unserer Laune dabei keinen Abbruch, das Wetter ist gut, die Gegend ist schön. In der Ferne liegen die immergrünen Hügel des Umlandes und des Nam Phou Louey Nationalparks. In der spärlich besiedelten Provinz hat die Regierung große Teile des Landes als Schutzgebiete ausgewiesen. Geld, diese zu kontrollieren, hat sie freilich nicht. Die Nähe zur Volksrepublik ist diesbezüglich eher Fluch als Segen. So bedienen sich chinesische Bergbauunternehmen ungestraft an den Bodenschätzen, wie man von den Einheimischen hört. Die Stimme des kleinen Landes selbst bleibt auch zu klein, um dem wilden Treiben Einhalt zu gebieten. Andererseits baut der große Nachbar große Teile der Straßen und lokalen Infrastruktur zu Vorzugspreisen und verbittet sich im Gegenzug störende Einsprüche. Überhaupt ist der lange Arm der Weltmacht überall in Laos gegenwärtig. Auf den Straßen des Landes werden große Teile des Warenverkehrs von chinesischen Speditionen getätigt, deren anspruchslose Fahrer die ewigen Entfernungen klaglos bewältigen. Die Maschinen und Gerätschaften tragen beinahe ausschließlich die chinesische Bildschrift. Die laotische Regierung mag über soviel brüderliche Einflussnahme dankbar sein, die noch weitgehend verschonte Natur ist es nicht. Und seit in China auch Artenschutz mit aller Vehemenz angegangen wird, ist in den Nachbarländern schon seit Jahren nichts mehr sicher, dass als essbar, heilsam, schön oder schmückend gilt. Zu unserem Entsetzen lesen wir, dass die Dorfkinder nur allzu gern die seltenen Plumploris, kleine insektenfressende Primaten, für ein Taschengeld an chinesische Trucker verkaufen würden, denen das wenige Fleisch eines solchen Tieres als Delikatesse gilt. Zudem sind sie gern gehaltene Haustiere, die irgendwann an mangelhafter Haltung und Ernährung eingehen.
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Unser letzter Tag in Laos beginnt mit einem Platten. Der selbst ist zwar noch nicht platt, ein dicker Riss im Mantel kündigt aber an, dass es ohne Zweifel nicht mehr lange dauert. Zwar haben wir wenig Lust auf eigene Kosten, das eh schon teure Gefährt zu sanieren, aber der Deutsche in uns eliminiert die Gefahr des Liegenbleibens auf einsamen Straßen, bevor es überhaupt soweit kommt. Möglicherweise haben wir den Riss ja, trotz umsichtigster Fahrweise, sogar selbst verschuldet. Dem drohenden Regen entfliehen wir gerade noch und erreichen Luang Namtha. Wir sind zu früh, als dass wir unser reifengefixtes Moped schon abgeben wöllten und fahren noch einmal raus. Auf den Feldern wird gerade der Reis eingesetzt. In den seit Tagen bewässerten Böden ist der Schlick nun weich genug, dass die Stecklinge eingesetzt werden können. Eine Arbeit, bei der alle mit anpacken müssen. Die Männer pflügen, kontrollieren die gleichmäßige Verteilung des Wassers und ziehen gerade Linien durch die Felder. Die Frauen durchlaufen in unermesslicher Geduld barfuss die Felder und stecken Pflanze um Pflanze. Einst las ich von der Theorie einiger Anthropologen, die sich mit dem unterschiedlichen Gemeinschaftsgefühl östlicher und westlicher Gesellschaften befassten. So würde in Asien seit Jahrhunderten Reis angepflanzt, Terassen und Felder ausgehoben und mehrfach im Jahr geerntet. Eine Arbeit, die nur gemeinschaftlich bewältigt werden könne. In Europa dagegen, hätten die Menschen meist angepflanzt, was sie persönlich konsumierten. Kohl und Getreide, später auch Kartoffeln. Man war sein eigener Herr. Östliche Gesellschaften dagegen kennen bis heute wenig Raum für Individualismus. Als individuell gilt vorallem, was die Gesellschaft selbst als individuell erachtet.
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Am nächsten Tag ist es endlich soweit. Das Abenteuer China kann für uns endlich beginnen. Gespannt wie die Flitzebögen warten wir am so improvisierten Busbahnhof Luang Namthas. Ab jetzt wird alles wieder drei Nummern größer. Neben uns sitzt ein älterer Herr im Kleinbus, fest entschlossen, den Chinesen ohne gültiges Visum begegnen zu wollen. Auch wenn wir sein Vorhaben als mindestens tollkühn, beinahe aussichtslos erachten, bewundern wir seinen Mut und Entdeckergeist. Er ist mindestens 60 und natürlich schon viel gereist. In seinem Nachdruck eines älteren Reiseführers steht die abenteuerlich Geschichte von an der Grenze gekauften Visa. Auch wir kennen diese Geschichten aus einer Zeit, die noch andere Abenteuer in einer E-Visa freien Welt versprachen. Diese Zeit scheint ein für alle mal vorüber, wie wir vorsichtig erklären, ohne ihn entmutigen zu wollen. Als er den großen, sicher vom größeren Bruder finanzierten Grenzbetonblock erspäht, beschließt er entmutigt, sein Vorhaben doch noch mit einem Gasthaus in der ebenso blocklastigen Retortengrenzstadt abzusprechen. Wir sehen ihn schon zurückfahren. Schade, denn eigentlich sollte auch die heutige Welt gemacht sein für unerschrockene Entdeckerherzen seiner Prägung. Zum Glück hat er den monströsen Block auf chinesischer Seite nicht sehen können. Er wäre wohl in der Erde versunken, die er so selbstsicher bereist. Letztlich fahren wir gespannt nach China, dessen Grenzübergang nicht nur für uns den Übertritt in eine andere Welt markiert. So weit entfernt, wie ein unmittelbarer Nachbar nur entfernt sein kann. Einen Blick wagen wir zurück zum Ursprung, bevor wir weitergehen, mit festem Schritt in die Zukunft.
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