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Auf dem Weg um die Welt


​...und zu allem was dazwischen liegt

Angekommen im Orient - die Türken im Fokus...

23/6/2017

1 Kommentar

 
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Was ist das eigentlich nur bei uns? Undiszipliniertheit, mangelnde Härte oder einfach nur Pech? Egal was es zu sein scheint, es endet stets mit maßlosem Glück. Wir sind schon wieder spät dran, so spät, dass wir ihn heute wirklich einmal verpassen würden, unseren Bus. Früh aufgestanden, kurz geschlafen. Vorab die Strecke genauestens angeschaut, den Weg zur U-Bahn Haltestelle einkalkuliert, 20 Minuten eher losgelaufen und jetzt das. Beim Umsteigen werden wir beinahe aus der Haltestelle geschickt, laufen umständlich und stehen nun vor der geschlossenen Schranke. Wir sollen das Ticket erneut lösen. Das Budget auf unserer Istanbul Card reicht nicht für zwei, es fehlt ein Lira... Der Automat frisst unseren ersten und einzigen Lira, ab jetzt haben wir nur noch große Scheine. Keiner kann wechseln und alles kostet wertvolle Zeit, unten fährt derweil unser erster Zug davon. Aufladen erneut ausgeschlossen. Bescheissen ginge jetzt echt schnell, aber wegen der aktuellen Sicherheitslage steht vor wirklich jedem Eingang ein Polizist. Den wollen wir jetzt nicht verärgern, das kostet dann wohl noch mehr Zeit. Widerwillig investiert Xenia in eine Einmalfahrt, und erhält anschließend genug Münzgeld für den Rest unseres Türkeiaufenthaltes. Der nächste Zug fährt in 8 Minuten, zu lang. Wir wechseln das Gleis und sparen 4 Minuten, die pures Gold wert sind. Auf der Uhr verrinnt die Zeit, immer noch knapp 20 Minuten Fahrt. Könnte reichen. Immerhin müssen wir ja auch noch unseren Busanbieter finden, auf dem größten Busbahnhof, von dem wir bis dato gehört haben. Aus der Ferne sehen wir ihn schon. Gigantisch, schlicht kaum zu beschreiben. Groß wie ein Fußballstadion, wohl eher wie 2 oder 3. Wie die Irren verlassen wir das Terminal, lassen die Schwarzverkäufer links liegen und siehe da. Es ist der erste am Platz. Am Eingang  werden wir schon nach unserem Ziel gefragt und schickt gleich darauf einen Boten zum zuständigen Fahrer. Mal wieder eine Punktlandung, dabei nehmen wir uns immer vor, es ab jetzt zu verhindern. Aber was soll's. Wir haben ja bis jetzt noch nichts verpasst. Als wir einsteigen, geht's auch gleich los. German efficient, wie der Engländer sagen würde. Wir sind so fertig und können dennoch nur noch grinsen. Wie so oft. Bei der Ausfahrt passieren wir dann gleich noch unseren Ankunftsterminal. Genau dort, wo man uns bei Ankunft versichert hatte, es gäbe sicher keine Ubahn.
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An den Busstandard könnten wir uns dagegen wirklich gewöhnen. Der ist so gut, dass wir es nochmals erwähnen müssen. Zudem ist unser Begleiter heute besonders motiviert. Blutjung wedelt er durch den Bus, erfrischt und desinfiziert unsere Hände mit Rosenwasser, bringt ständig etwas zu trinken und steckt uns bei jedem Gang Kekse zu. Vom wesentlich älteren Fahrer wird er dennoch unentwegt angemault. Generationenkonflikt. Die Fahrt zieht sich, erst nach gut einer Stunde überqueren wir den Bosporus auf der Brücke nahe des Schwarzen Meeres, die wir nur 2 Tage zuvor von unten sahen. Die sieht von oben noch wesentlich gewaltiger aus und ist ein ingenieurtechnisches Prunkstück. Die Gegend zieht sich derweil, während wir versuchen, so lange wie möglich müde zu bleiben, immer bereit zum kurzen Wegnicken. Nach halber Strecke nimmt auch die Bevölkerungsdichte spürbar ab, wir fahren auf immer gleichen Autobahnen durch die immer gleiche Landschaft, die uns entfernt an die australische Steppe erinnert. Zu karg für Landwirtschaft, zu bewachsen für Wüste. Nach 9 Stunden sind wir froh am Ziel zu sein. Beim Blick auf die Karte wirkt unser Sprung ja nicht gerade gigantisch. Kleinasien passt dann doch ganz gut. Der Busfahrer will von einem Terminal nichts wissen, hält unvermittelt am Straßenrand. „Kein Busbahnhof...“, seine Antwort. Unser Reiseführer sagt etwas anderes, unser gebuchtes Hostel auch. Die Situation, die nur noch auf türkisch gelöst werden kann, fängt an sich zu zerfahren. Wir steigen aus, umgehen den Konflikt. Der Busbahnhof ist dankbar nahe, einmal fragen reicht. Während wir die letzten Meter laufen biegt der Bus in der Ferne direkt am Busbahnhof ab. Naja! So geben wir im ersten Reisebüro bescheid, ob man für uns im Hostel anrufen und Attila, unseren wartenden Gastgeber aktivieren könne. Wir werden abgeholt von Ibo, der uns freundlich empfängt. Wir vermuten natürlich Attila, doch gleichsam missmutig wie etwas zu ehrlich erklärt uns Ibo, dass sein Chef eher für die Unterhaltung der Gäste zuständig sei, während er hier die Arbeit mache. Der Smalltalk wirkt angestrengt, als wäre er Teil des Programmes. Mit jedem Satz dämpft sich seine Stimmung, er wirkt zunehmend gehemmt, nachdenklich. Als wir ankommen, wissen wir warum. Wir sind offensichtlich die einzigen Gäste. In einem Hostel! Dieses erinnert uns spontan an die Hostels in Down Under. Ein großer, zentraler Pool, viel Fläche zur gemeinschaftlichen Nutzung, Tischtennisplatte, Billard, Volleyball, eine Bar und ausreichend Sitzgelegenheiten umringt von kleinen Zimmern. Die Stimmung ist mindestens seltsam. Welch Ironie, wir hatten es ja auch deshalb gebucht, um auch mal wieder unter Leute zu kommen. Jetzt sitzen wir allein am Pool, und beobachten die Schwalben, die gestresst durch die Landschaft schwirren. Völlig selbstverständlich fliegen sie in die Räume. Wir folgen ihnen gespannt. Oberhalb der Bar haben sie ihr Nest gebaut und niemand, der sie daran gehindert hätte. Nun quieken hier 5, da 4 und nebenan noch andere Schwalbenküken nach Nahrung. Während wir uns über die geduldete Natur freuen, stellt sich Attila neben uns. Er schaut schweigend mit, während wir uns gemeinsam freuen. Wie oft er schon hier gestanden hat, vor dem Schwalbennest in seinem Wohnzimmer. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, sagt man. Doch hier sind definitiv genug, glauben wir. Doch scheint sein Sommer gerade sehr fern. Braungebrannt mit astreinem australischen Akzent stellt er sich vor. Ein wenig zu jovial für unseren Geschmack, dafür authentisch. Seine Jugend habe er in Down Under verbracht, aber seit vielen Jahren schon ziehe er die Türkei vor. Noch zumindest. Sein Blick leidet, seine Stimmung schwenkt um. Während andere leidende Hoteliers melancholisch werden angesichts der Geschäftslage, wird er australisch grumpy, wütend. Ungehemmt schimpft er über die Weltpolitik, über die völlig überzogenen Reaktionen auf allen Seiten. Die ängstlichen Touristen, die stimmungsmachenden Medien, die polternden Politiker. Seit drei Jahren mache er diesen Mist schon mit, langsam gehe ihm die Luft aus. Mit seinem Hostel, in normalen Zeiten eine wahre Perle, besetze er eben zu sehr die Nische...
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Wir können inzwischen alles genauso unterschreiben. Die Angst vor der Türkei hat ein beinahe hysterisches Ausmaß angenommen. Die Medien lügen zwar nicht in dem Sinne, wie es uns so manche Montags Protestler glauben machen wollen, wählen aber selbstverständlich ihre Nachrichten nach gesellschaftlichem Interesse, Relevanz, Brisanz und Attraktion. Was ließe sich da besser verkaufen als ein Konflikt. Die heimische Politik gefällt sich in Moralapostelei, während andere Regierungskritiker auf der Basis von Notstandsgesetzen zu Tausenden inhaftiert werden. Das lässt sich zwar nicht mit dem deutschen Rechtsverständnis vereinbaren, das ist aber global auch offensichtlich der falsche Maßstab. Leider. Zumal wir uns immer fragen, wo die vielzitierte Moral bei den Ägypten Urlaubern war, oder denen, die schon vor 3 Jahrzehnten Länder wie Portugal, Griechenland oder eben die Türkei bereisten. Genau diesen Punkt verstehen auch die Türken nicht, mit denen wir uns erstaunlich offen unterhalten können. Die Lage war prinzipiell nie wirklich anders. Bei uns mag man ja glauben, das Land wäre von einer echten Demokratie in eine echte Diktatur gefallen. Für uns Deutsche mögen die hiesigen Zustände nicht übertragbar erscheinen, für die meisten Türken, die ganz andere Probleme als ein deutsches Demokratieverständnis haben, ist es unsere Regierung ebenso. Nun mag man als Außenstehender glauben, man könne all diese Probleme mit mangelnder Bildung oder fehlendem Idealismus erklären, damit tut man den Menschen, die wesentlich näher an ihren eigenen Befindlichkeiten sind, ebenso unrecht...
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Es ist bereits spät. So sind wir über das angebotene Mahl dankbar und bleiben, statt zu gehen. Die Stadt liegt inzwischend leuchtend im Tal, 3 Kilometer entfernt und gemessen an unserem Hunger wenig einladend. Während Ibo serviert, erhält Attila einen Anruf. Seine Stimmung schwenkt von gesprächig in extrafreundlich, ohne dass wir uns etwas dabei denken würden. Während sich Attila ganz persönlich dem Problem annimmt, kommen wir mit Ibo ins Gespräch, der so offen anders als Attila ist. Er wirkt einfach, sein Blick wirkt gelangweilt, doch stellt er sich in mehreren Gesprächen als ein vielschichtiger und reflektierter Mensch heraus. Er stamme aus einer Familie mit 5 Geschwistern, er der jüngste seiner 2 Brüder. Jahrelang habe er auf einer Yacht gearbeitet und auf dem Meer gelebt. Ein harter Job sei das gewesen, immer abhängig vom Bootsbesitzer, quasi ohne Freizeit, ohne Familie, ohne Freundin. Doch verdient habe er gut und noch mehr gesehen. Wenn es seinem Chef oder dessen Gattin beliebte, wären sie spontan wohin auch immer gefahren. Heute Venedig, morgen vielleicht eine dieser kroatischen Inseln. Immer woanders und dann wochenlang wieder eine Anlegestelle. Ewiges Warten bis zum nächsten Aufbruch. 5 Jahre habe er das gemacht, seinen Ausstieg geplant und vom eigenen Boot geträumt. Denn er liebt das Meer. Das geht niemals weg, wenn es einen einmal erfasst habe. Dann habe sein Vater einen Hirnschlag erlitten, gefolgt von der typischen Halbseitenlähmung. Er ist 'Der Jüngste'. So war es auch sein Job sich zu kümmern, den Vater zu pflegen. So sei das in der anatolischen Provinz. Da zähle die Familie alles, der eigene Wille wenig. Befindlichkeiten noch weniger. Inzwischen sei der Vater tot und er hier. Aber es werde schon wieder. 35 ist er nun und müsse dranbleiben, wenn es noch etwas werden solle mit der Familie. Er brauche Besitz, vorzeigbares Eigentum, um interessant zu bleiben auf dem Heiratsmarkt. Wir wünschen ihm das Beste.
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Derweil kehrt Attila zurück, mit Katie im Schlepptau. Die ist ganz offensichtlich sehr hübsch. So grinsen wir, als Attila seine übertriebene Freundlichkeit noch nicht einmal zugunsten der Professionalität zurückfahren kann. Verstehen können wir es dennoch. Nicht dass das Hostel einer Kaserne gleicht, aber wir glauben, es wäre um Attilas Libido wesentlich harmonischer bestellt, wenn auch die Backpacker zurückkehrten. Katie entgeht der Situation, indem sie von sich und ihrer Arbeit für eine UN nahe Organisation in Istanbuls erzählt. Erst seit 2 Wochen sei sie da, knapp 6 Monate sollen folgen. Sie erzählt uns, sie sei mit demographischen Strukturen beschäftigt und Istanbul eine der ganz wenigen Städte der Welt, wo die Geburtenraten wieder steigen. Obwohl wir dem angesichts von 8 Milliarden Menschen nichts abgewinnen können, finden wir es zumindest erstaunlich. Auch uns sind die vielen Menschen mit Klein(st)kindern in der türkischen Hauptstadt aufgefallen, vor allem im Inland ist der Kinderreichtum noch augenscheinlicher. Dort sinken die Geburtenstarken allerdings schon seit Jahrzehnten, genauso wie in Afrika und Asien. Bei den vielen Familien mit 4 und mehr Kindern aber eben offensichtlich nicht schnell genug. Streng genommen, waren wir noch nie in einem Land mit einem derart geringen Durchschnittsalter. So überrascht es nicht, dass die Türkei ihre Bevölkerung in knapp 100 Jahren vervierfachen konnte. Auch im vorsichtigen Gespräch sehen die meisten Türken dies eher als ein Zeichen für den guten Willen ihres Gottes und die Fruchtbarkeit ihres Landes. Dies sei ja immer noch in großen Teilen weitläufig und unbesiedelt. Man erklärt uns völlig überzeugt, man brauche sich nicht um die Erde zu sorgen. So groß, so mächtig sei sie und der Gott, der sie beschütze. Im Stillen glauben wir, dass schon in wenigen Generationen die Kraft aller Götter, Wissenschaftler und Ökologen nicht mehr ausreichen wird, um die nahende Katastrophe zu verhindern. Diese wird dann wohl nicht als ein Ereignis eintreten, sondern als ein Zustand die Menschheit über Generationen beschäftigen, sofern diese als Gesellschaft überlebt...
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Aber zurück in unsere Welt, unsere Zeit. Attila kündigt seine Freunde an, die seien recht umgänglich und musikalisch. Gut gelaunt setzen sie sich in unsere kleine Runde, stellen ganz selbstverständlich ihr Essen in unsere Mitte und zünden eine Tüte an, die wir eher in der jamaikanischen Dorfjugend vermutet hätten. Auch mal wieder schön! Währenddessen holt Gökhan, der Barde, seine Sitra heraus, das typisch orientalische Zupfinstrument mit drei Saiten, das in der Türkei selbstredend eine eigene Bezeichnung hat. Attila stimmt uns inzwischen ein, stellt Gökhan als lokale Berühmtheit vor, der sogar schon eigene Musikvideos auf Youtube geschaltet hat. Während er seinen Freund bewirbt, der in all seiner Ruhe die Saiten stimmt, zündet unser Gastgeber jede verfügbare Kerze an. Stimmung machen, das kann er wirklich...  Mit bedeutungsschwangerem Gesang und leidendem Blick stimmt Gökhan sein Lied an, das von Schmerz, Leid und Liebe handeln muss, und zwar in genau dieser Reihenfolge, ohne dass wir den Text verstünden. Aber es wirkt, es dauert keine Minute und wir hängen gebannt an seinem Gesang und dem geschickten Spiel seiner Finger, die virtuos über das Instrument gleiten. Es folgt der ehrliche Applaus weniger Hände, für den sich Gökhan nicht zu schade ist. Derweil übersetzt Attila das vorangegange Lied, das von vielen rosaroten Morgen handelt, Abschied und unerfüllter Liebe. Eine Poesie nahe am Kitsch, die dennoch so authentisch in eine Kultur passen, in der die Worte eine hohe Bedeutung und Wertschätzung genießen. Wir können uns davon nur erzählen lassen und müssen einfach glauben, wenn etwa von der lyrischen Brillianz des Koran erzählt wird oder von der Genialität der Dichter des Morgenlandes wie Rumi oder Hafez. Lied um Lied verschieben wir gedanklich unseren Abschied, genauso wie Katie, die schon seit drei Stunden im Bett sein wollte. Doch der Gesang und die Stimme wirken auf uns. Genauso, wie der orientalische 7/8 Takt, der uns so fremd erscheint während er die Türken ins Tanzen zwingt. So dauert es wenige Lieder, bis Attila und seine Leidensgenossen stehen und anfangen wild und ungehemmt zu tanzen. Wir fragen uns, was es ist, dieses westliche Hemniss. Offen können wir über Sexualität, Gesellschaft, Gleichberechtigung und Verhältnismäßigkeit sprechen. Aber einfach aufstehen und tanzen zu ungekannten Klängen, das können wir nicht. Derweil variiert Gökhan Tempo und Betonung um Nuancen und die tanzende Masse bestehend aus drei Menschen beginnt ekstatisch zu klatschen. Wir bewundern die offene Freude in schweren Zeiten, sinnieren über die Kulturen, ihre Schranken, ihre Brücken. Gökhan stimmt derweil das nächste Lied an vom Leid der sich Liebenden, so klingt ein Abend viel zu spät aus, der doch so wenig versprach, mit einer hypnotischen Stimme und dem leisen Spiel der Sitra, im Schein der Kerzen und des Mondes...
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Der nächste Morgen beginnt für uns so spät wie irgendmöglich. Katie ist zu diesem Zeitpunkt schon seit Stunden unterwegs, aber die muss ja heute noch zurück nach Istanbul. Wir dagegen wandern nach dem Frühstück in aller Ruhe zum Westtor der antiken Stadt Ephesos. Die Hitze schafft uns schon auf dem wenige Kilometer langen Hinweg. Wir erreichen den Eingangsbereich, der irgendwann einmal für einfallende Besucherströme geschaffen wurde. Noch warten die Touristenführer auf Arbeit, die auch wir ihnen nicht verschaffen können. Doch es wird sich bessern, da die allermeisten Besucher später als Tagestouristen aus den im Umland verteilten Begrenzungen herangekarrt werden. Wir sind in der Mittagshitze dankbar für unsere Ruhe und unverdorbene Motive. Ephesos war in der Antike ab etwa 700 vor Christus einer der populärsten Städte der damaligen Weltreiche und wurde der Legende nach dem ionischen Prinzen Androclus vom Orakel von Delphi persönlich prophezeit. So konnte der seefahrende Prinz bei einem Landgang die ihm vorausgesagten Zeichen lesen und gründete die besagte Stadt. Die Fruchtbarkeitsgöttin Artemis war den damaligen Bewohnern besonders wichtig, so wurden ihr zu Ehren zahlreiche Tempel errichtet und im Laufe der Zeit wieder zerstört. Etwa 350 vor Christus bot ein junger Mann namens Alexander der Große den Lykiern an, für einen prachtvollen Tempel zu bezahlen, sofern er seinen Namen trage. Die Lykier waren dagegen im Laufe der Zeit durch ihren Handel reich geworden und errichteten stattdessen das Artemesion, eines der antiken sieben Weltwunder. Über 2000 Jahre lebten Menschen in Ephesos, bis sie einst von den Seltschuken erobert wurden. Spätestens mit Ankunft der Ottomanen im 13. Jahrhundert war die Stadt entvölkert und wurde im Laufe der Zeit vergessen. Mit Hilfe österreichischer Archäologen wurde die inzwischen verwachsene und begrabene Stadt wieder zugänglich gemacht und zum Teil wieder errichtet. Das Artemesion konnte freilich nicht wieder entdeckt werden. Es wurde wohl zu Teilen in der Hagia Sofia weiterverarbeitet und ging im wahrsten Sinne des Wortes verloren. Seine etwaige Form und Größe muss daher vom nur wenige Kilometer entfernten Apollontempel, einem weiteren Weltwunder, in Didyma hergeleitet werden. Stattdessen veranschaulicht uns heute die wieder aufgerichtete Fassade der ehemaligen Celsiusbibliothek die Größe der Kultur, genauso wie es schon die zahllosen Tempel auf dem griechischen Festland getan hatten.
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Gerne vergisst man, dass der eigentliche Ursprung der europäischen Hochkulturen hier in Anatolien liegt und sich an der Küste im Mittelmeerraum verstreute. So gilt die vor 8500 Jahren gegründete Stadt Çatalhöyük als erste und älteste Stadt überhaupt. Die Hethiter waren vor über 7000 Jahren kulturelle Wegbereiter für Griechen und Römer, für deren Errungenschaften wir uns heute noch rühmen. Die Hitze steigt, genauso wie die heutige Besucherzahl. Wir sind ganz und gar nicht mehr allein. Im Eiltempo überholen uns die Tagestouristen, entrinnen der Hitze an den wenigen möglichen Stellen. Bis wir an dem Atrium und der Bilbliothek ankommen, sind uns einsame Motive bereits verdorben. Aber mit Genugtuung registrieren wir den Frust der Tempotouristen und schlendern durch die Stelen des Curetes Weges. Im großen Theater, das seinen Namen wahrlich verdient, singen die Chinesen. Wir sind fasziniert von der obskuren Szenerie. Eine große oder viele kleine Reisegruppen haben die Ränge in Beschlag genommen, während in der Arena nun 3 Frauen ein offensichtlich fernöstliches Volkslied anstimmen. Die Masse folgt gebannt. Im Sopran trällern sie ihr Lied, hinter dem wir die chinesische Version von 'Die Gedanken sind frei' vermuten. Vielleicht sind sie mit genau diesem Vorhaben hierher gekommen, oder wurden spontan von der Szenerie überwältigt. Der Spuk endet nach gefühlt einer einsamen Minute chinesischer Spontanität. Alles klatscht, wir auch. Die Damen verbeugen sich schüchtern, beinahe unbeholfen, kichern und sind gleich darauf wieder ganz chinesisch, als hätte es niemand gesehen... Wir dagegen haben einen heißen Nachmittag hinter uns gebracht und sitzen verschwitzt unter einem der wenigen Bäume. Gemeinsam ringen wir uns noch die Marienkirche ab, die über dem ehemaligen Wohnhaus von Maria (ja, die Mutti vom Heiland) errichtet wurde. Ein ehemals sehr populärer Wallfahrtsort, wie man sich denken kann. Heute weitgehend unspektakulär. Wir beschließen morgen weiter zu fahren, Zeit ist ja auch für uns kostbar.
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Im Hostel ist inzwischen eine ganze Reisegruppe Australier angekommen, inklusive ihrer Begleiter. Ungehemmt verteilen sie sich um den Pool. Man trifft sich beim Essen, Attilas groß angekündigtes Barbecue. Die der Länge nach aufgestellte Tafel lässt keine Möglichkeit sich dem Gemeinschaftsgespräch zu entziehen. So dauert es nicht lange, bis wir mit Cheney ins Gespräch kommen. Der ist zwar auch Australier, gehört aber nicht der Gruppe an. Seit 2 Wochen bereist er schon das Land mit seinem Mietwagen, 3 weitere sollen folgen. Er freut sich über die für seine Maßstäbe günstigen Mietwagenpreise. Beim Abgleich der Dinge, die noch getan oder gesehen werden müssen, beschließen wir gemeinsam nach Pamukkale zu fahren. Später wird ein Lagerfeuer entfacht, während sich der Rest der Meute beim Billard vergnügt. Der Abend wird wieder spät. Stunde um Stunde verfliegt im Gespräch mit den anderen und einem Franzosen, der urplötzlich aus dem Nichts auftaucht. Er ist schon etwas älter und hat Frau und Kind in einer der Bettenburgen gelassen, so kann er sich in Ruhe der Kultur widmen. Die Runde wird kleiner und kleiner, bis nur noch Cheney und seine spontane Eroberung, der Franzose und Ibo neben uns sitzen. Mit der Frage, ob Ibo Fußball spiele, wird eine Diskussion über das Leben im Hinterland angefacht. Da wären nämlich alle Ringer genau wie schon vor 3000 Jahren, das würde man als Mann dort nämlich automatisch werden bei der Feldarbeit. Da wo er herkomme, gelten noch die alten Regeln, viel zu archaisch für die hiesige Gesellschaft und unser Verständnis. Die Frauen hätten zwar keine 10 Kinder mehr, aber eben gerne mal 6 oder 7. Das Fleisch ginge automatisch an die Männer, weil es das eben nicht unbegrenzt gäbe und die Männer es nötiger hätten. Dafür sei die Gesellschaft, wie er sie schätze noch intakt. Keine abgeschlossenen Türen und wenn man etwas bräuchte, dann hole man es sich ungefragt beim Nachbarn. Weil der eben schon wisse, dass man das dann wirklich bräuchte und selbstverständlich ersetzt. Gier wäre den Menschen völlig fremd. Da brauche es dann auch keine Erklärungen. Demzufolge wirke die westliche Gesellschaft wenig attraktiv auf die Alten. Die Jungen gehen trotzdem weg, verstreuten sich im Land. Wir hängen inzwischen an seinen Lippen. Hin und her gerissen sei er, wenn er den Menschen seines heutigen Umfeldes davon erzähle, Menschen wie wir es sind. Deren Interesse ehrlich ist. Die würden sich freuen, wenn man sie ihnen zeige, diese ganz andere Seite der Türkei, eine andere Gesellschaft des gleichen Landes. Und seine Familie würde sich ebenso freuen, Gäste genießen den allerhöchsten Stellenwert. Man lasse ihnen mehr zukommen, als sich selbst, man garantiere für ihre Sicherheit, das gebiete schon die Ehre. Doch mit den Bussen kommt der Wandel, den müsse man aufhalten so lange man kann. Bewahren, was bewahrt werden kann. Auf der Suche nach dem Leben, das andere Menschen versprechen, lässt man zurück, was immer weniger freiwillig suchen. An dieser Stelle unterscheide sich keine Gesellschaft. Wir geben uneingeschränkt recht, bis es auf die Frage zum ungehemmten Bevölkerungswachstum kommt. Das würde Allah schon richten, ist sich auch Ibo sicher. Wir könnten doch nicht wirklich glauben, der Mensch wäre stark genug, die Erde zu zerstören, auch deren Milliarden nicht. Wir staunen über die so eindimensionale Antwort eines so vielschichtigen Menschen. Die Stille danach zerstört die so angeregte Diskussion. Das Bett ruft, leider...
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Wir fahren nach Pamukkale, Ausgangsort zu den weltberühmten Kalksteinterrassen. Die Fahrt zieht sich, die Gespräche halten mal wieder. Auch Cheney sucht sie, die andere Gesellschaft, das alternative Leben. Ein hoher Anspruch für einen Australier finden wir, die wir sein Heimatland schon als größtes Kleinod der Welt kennengelernt haben. Ein Land zum Verschwinden. Doch Menschen wie Cheney sind uns dort so oft begegnet. Denen alles zu kommerziell, zu zielgerichtet und beliebig vorkam. Doch sind wir uns alle einig, das es hätte wesentlich schlimmer kommen können, mit einem anderen Pass oder dem falschen Hintergrund. Schlimmer wäre wahrscheinlicher gewesen.
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Als wir ankommen, regnet es. Auch das zwischenzeitliche Essen hilft nicht, nebenbei das wohl schlechteste der gesamten Reise. Der Regen lässt zwar etwas nach, liegt aber weiterhin bedrohlich in der Luft. Wir taktieren. Letztendlich entscheiden wir uns doch hineinzugehen, den Eintritt zu bezahlen und die  gegebenenfalls schlechten Bedingungen zu akzeptieren. Barfuss erklimmen wir den von den extrem kalkhaltigen Quellen weißgewaschenen Berg. Unten glauben wir noch, die sichtbaren Becken seien prall mit Wasser gefüllt. Die Illusion wird uns schnell genommen. Oben angekommen sehen wir, wie der Strom nur in ausgewählte Becken geleitet wird, während die meisten davon leer in der Sonne trocknen. Skandalös! Naja, was soll's, denken wir und laufen die wenigen vollen Becken ab. Nach einer Weile setzt der Regen wieder ein, während in der Ferne schon heftige Blitze zucken und wir auf Cheney warten. Der wollte sich noch ein wenig der ehemaligen Stadt Hieropolis widmen, welche sich im Hinterland der Terrassen verteilt. Als er urplötzlich neben uns steht, ist das Gewitter sichtbar nah, dass uns das Ganze langsam unheimlich wird. Den Weg zurück müssen wir auch wieder barfuss, permanent durch flaches Wasser bergab watend nehmen. 10 Minuten, wenn es gut läuft. Erschwert wird unser Abstieg von den regelmäßig im Weg rumstehenden Chinesen, die sich keinerlei Gefahr bewusst zu sein scheinen. Ungeniert fragen sie Xenia nach einem Foto, während Cheney und ich schon rennen. Vielleicht verfehlen ja die Blitze das kalkhaltige Wasser, oder die Chinesen mögen ihr Leben nicht. Als wir ankommen, bricht der Himmel über uns zusammen und wir retten uns ins Auto. Die Chinesen vergnügen sich derweil vermutlich immer noch.
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Als wir am nächsten Tag in Fethiye ankommen, passt das gar nicht zu dem Bild, das uns der Lonely Planet vermitteln wollte. Klang mal wieder alles spektakulärer. Bettenburgen halt. Gar nichts exponiertes, wie wir uns vorab einredeten. Naja, Meer ist ja irgendwie trotzdem schön. Für Xenia mehr, als für mich, aber das teilt sie wohl mit allen Frauen und nur wenigen Männern. So belaufen wir die Strandpromenade, einmal hin und zurück. In regelmäßigen Abständen wurden Hinweisschilder aufgestellt, die den Strand als Eiablagestelle der seltenen Karettschildkröten ausweisen. Das hält freilich niemanden davon ab, die schönen Gewässer mit Hunderten Hotels zu bepflastern, die ihre Liegen auf dem Sand verteilen. Auf denen bräunen sich nun die Touristen. Naturschutz geht anders! Vielleicht waren die Hotels ja vor den Schildkröten da, scherzen wir sarkastisch. Und jetzt kommen da diese Viecher an den Strand... Cheney hatte uns schon gewarnt, denn seine Landsleute kümmerten sich heutzutage wenigstens um das große Ganze, wie er es nennt. Die Katze, die da am Strand herumstreift, ist die längste Zeit Katze gewesen. Hier werden sie dagegen gefüttert, weil die meisten Türken in den Städten keine Haustiere halten. Da pflegt man im Zweifel dann doch ein gutes Verhältnis zu den Streunern.
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Das Spektakulärste wird für uns das Abendessen, das wir bei Birol und Aishe genießen, die ein kleines Pavillon am Strand betreiben. Die wenigen Touristen, die sich an den sonst offensichtlich gut besuchten Strandabschnitt um Fethiye verirrt haben, sind beinahe ausschließlich Engländer und Russen und sitzen nun in den typischen Touristenrestaurants. Gut oder günstig. Beides gleichzeitig scheint eher schwer zu finden. Und doch kommt wie so oft noch dieses eine Restaurant. Kurz vor Schluss der Geheimtipp, den Xenia schon im Vorbeigehen erspäht. Gute türkische Küche, offen zubereitet für schmales Geld. Die ganze Familie hilft mit während wir uns auf die orientalischen Sitzecken flätzen. Wir unterhalten uns mit dem Vater, an dem die Krise auch nicht spurlos vorüber zu gehen scheint. Doch er lebt die gute Laune vor, während er durch sein leeres Restaurant streift. Auf die Engländer und Russen könne er eh nicht bauen, erklärt er zu höflich, um es böse zu meinen. Die würden halt in die Bars gehen und am Ende wieder Pizza essen. Er hoffe eher auf die inländischen Touristen, der Ramadan sei bald vorüber. Dann beginne für seine Landsleute die Reisesaison. Wir hoffen mit ihm und kommen auch die nächsten 3 Nächte. Am nächsten Morgen fahren wir nach Olüdeniz, die nächste Enttäuschung. Wir geben es auf. Die Landschaft ist natürlich herrlich, wird aber verdorben von lauten Ausflugsbooten,  Partybooten, Bananenbooten und der Tagesausflugsmafia. Noch nichteinmal die sehen besonders glücklich aus. Wir bleiben gerade lang genug, um das schlechte Gewissen zu vermeiden und fahren zurück.
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Tags darauf fahren nach Kayaköy. Xenia hat sich zuvor am Strand gebräunt, während ich mich unter einem Schirm verkrochen hatte. Sinnlos dazuliegen, sich von der Sonne beschreiben zu lassen und zu hoffen, dass es bald vorüber geht, grenzt für mich an Schikane. Nun aber Kayaköy mit der dazugehörigen Geisterstadt. Im Zuge des türkisch griechischen Bevölkerungsaustausches entstanden an der türkischen Küste als auch auf den vorgelagerten Inseln Enklaven als auch Geisterstädte. Die Inseln sind nun griechisch, die Küste ausschließlich türkisch. In einer bizarren Szenerie, stehen heute wild bewucherte Gebäude leer in der Landschaft. Was einst Heimat für ein ganzes Dorf bedeutete, ist heute Ausflugsziel und Fotomotiv. Auch wir sind dankbar, bedeutet es für uns neben dem allabendlichen Essen bei unserer neuen Lieblingsfamilie den einzig lohnenden Ausflug in und um Fethiye.
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Wir fallen aus dem Bus. 10 Stunden, die sich zum Ende hin ins Unendliche zogen. Wir haben Angst, vor einem geschlossenen Hotel in Konya zu stehen, nachts halb 2. Aber unbegründet, der Besitzer hat es sich in seinem winzigen Hotel derweil auf der Couch gemütlich gemacht, während wir durch Nacht und Regen hetzen. Wir sind so müde, dass uns selbst das rekordverdächtig verrauchte Zimmer nicht stört. Wir lüften, bis das Gröbste verzogen ist und fragen uns natürlich, warum der Zimmerservice dazu nicht in der Lage war. Am nächsten Morgen sind wir eine Stunde beim Frühstück. Genug, damit das Zimmer bei unserer Rückkehr wieder gleich verraucht ist. Seltsam, finden wir. Haben wir echt in dem Dunst geschlafen. Wir zweifeln. Als wir am nächsten Abend wieder in unserem Zimmer weilen, erklärt sich das Phänomen. Unser  Zimmernachbar raucht in seinem Zimmer derart hochfrequent, dass er unser Zimmer gleich noch mit verräuchert. Alle 10 Minuten klickt sein Feuerzeug, es wird zum Psychoterror. Das muss man sich mal vorstellen: überhaupt die Theorie in einem Zimmer so viel zu rauchen, dass man es durch 2 Türen hindurch riecht, hätten wir bis dato für technisch unmöglich gehalten... Naja, wir leben noch. Bei unserem Zimmernachbar sind wir uns nicht mehr so sicher.
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Konya ist Pilgerziel und beherbergt neben dem Mevlana, der Grabstätte Rumis vor allem die Derwische. Wir wollen beides sehen und sind für letzteres extra pünktlich Samstags angereist. Das Mevlana liegt keine 2 Gehminuten von unserem Hotel entfernt, so entfliehen wir dem regnerischen Wetter, das eine dankbare Abkühlung in das sonst trocken heiße Festland getragen hat.

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Unser heutiger Tag ist zwangsläufig mit dem Namen Rumis verbunden. Dieser wurde als Celaleddin Rumi im heutigen Afghanistan geboren und kam über die Umwege Mekka und Damaskus nach Konya. Später wurde er Sultan der Seltschuken einer der bedeutendsten Philosophen der islamischen Welt. Seinen Gefolgsleuten wurde er unter dem Namen Mevlana, was pathetisch mit 'Unser Führer' übersetzt werden kann und hinterließ ihnen das 25.000 Verse starke Werk Mesnavi. Ihm und seinen Lehren zu Ehren wurden über 100 Derwisch Schulen im gesamten ottomanischen Reich gegründet, von denen viele die Jahrhunderte als auch die restriktive Politik Atatürks überlebten. So drehen sie auch heute noch ihre Kreise und erfreuen Muslime aller Welt als auch westliche Touristen.
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Wir verlassen das Areal, und schlendern bereits hungrig zum Alaaddin Hügel ins Zentrum. In einem unscheinbaren Restaurant machen wir im Anschluss die nächste kulinarische Entdeckung: Etliekmek! Das sind kleine flache Teigfladen, die im Ofen gebacken werden. Sie sind dünn mit einer Masse bestrichen, die aus Hackfleisch, Tomaten, Knoblauch und frischen Kräutern angemischt wird. Das schmeckt überraschend saftig und wohltuend würzig. Dazu kann es in der Türkei nur Ayran geben! Wir sind schon richtige Fans des leicht salzigen Joghurtgetränks geworden, trinken es bei beinahe jeder Gelegenheit. Zum Abschluss eines jeden Essens trinkt man Çai. Gerne auch davor oder währenddessen. Eigentlich immer.
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Auf dem Weg zurück passieren wir das unpassend als Fliesenmuseum betitelte Medresesi. Dies war im Altertum eine Koranschule und besticht unter anderen mit der außergewöhnlich gefliesten Decke. Die Symmetrie der Sterne und anderer wiederkehrender Muster sind nicht nur hier bemerkenswert, sondern prinzipiell in der Welt des Islam in jeder erdenklichen Variation zu finden.
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Der Abend naht, der für uns zum Spektakel werden soll. Der Tanz der Derwische. Um jede eventuelle Überraschung oder schlechte Plätze zu vermeiden, sind wir schon gute 90 Minuten zu früh da. Die Halle ist noch beinahe leer, nur die zahlreichen Angestellten und Aussteller haben sich bereits zum gemeinsamen Essen nach Sonnenuntergang getroffen. Auf langen Tafeln wird alles herangetragen, was die heimische Küchen hergeben. Man winkt uns herüber, fordert uns auf, doch gemeinsam zu speisen. Mit Händen und Füßen verständigt man sich, wiedereinmal sind wir von der offenen Gastfreundschaft überwältigt. Am Ende sind wir so satt, dass wir uns kaum noch bewegen können. Gute Plätze finden wir dennoch. Die Zeremonie beginnt kurz darauf. Mindestens 20 Tänzer allen Alters betreten die zentrale Bühne. Sie beten andächtig, bevor sie der Reihe nach ihre dunklen Umhänge ablegen, die ihr irdisches Leben symbolisieren. Zu den esoterischen Klängen des Orchesters beginnen sie, sich minutenlang um ihre eigene Achse zu drehen und umkreisen gleichzeitig die kreisrunde Bühne. Dabei halten sie eine Hand in die Höhe und die andere zur Erde gerichtet, um den Kontakt zu beiden Welten aufrecht zu erhalten. Nur einmal unterbrechen sie die beinahe einstündige Zeremonie, um mit auf den Schultern verschränkten Armen Allah ihre Ehrerbietung und Hingabe zu erweisen. Dann drehen sie sich erneut, ohne dass einer von ihnen zusammenbricht, stolpert oder das Bewusstsein verliert. Es heißt, dass sie sich damit sogar in Trance versetzen können. Daran zweifeln wir keine Minute, fragen wir uns doch, wie lange wir das ganze aufrechterhalten könnten, ohne selbst ganz irdischen Symptomen zu erliegen. Die Vorstellung dient allein der Veranschaulichung und nicht der Unterhaltung des Publikums, so bleibt es nach Ende der Vorführung totenstill im Saal. Wir sind noch lange euphorisiert, das Gesehene beschäftigt uns noch den ganzen Abend.
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Wir erreichen Göreme in Kapadokien, unser nächstes Highight. Keine 4 Busstunden von Konya entfernt, in türkischen Relationen quasi um die Ecke. Jetzt geht es wahrlich Schlag auf Schlag. Es regnet, viel genießen können wir noch nicht. Im Hotel begrüßt man uns freundlich auf deutsch. Hattije hat lange in Frankfurt gelebt und führt nun ihr eigenes, kleines Felsenhotel in Göreme. Das Zimmer ist noch nicht ganz fertig, so übergibt sie an Timurhan, der die Übergabe weiterführt. Er wiederrum ist ein echter Lebenskünstler und hat 11 Jahre in Moskau verbracht. So kommt er mit Xenia schnell ins Russisch. Keine 2 Minuten später ist Merali vom Nachbartisch involviert und im Dreieck überschlagen sich die Gespräche. Mit seinem unverkennbar asiatischen Aussehen ist er ganz offensichtlich Fernostrusse. Es wird immer lustiger, immer lauter. Merali hat seine Geschichte vermutlich schon am Vortag zum Besten gegeben, Timusch, der halbrussische Türke hält sie für unbedingt erzählenswert und stellt ihn uns spontan vor. Merali ist 56 und arbeitet als Ingenieur in Kasachstan. Eines Tages liest er einen Blog über zwei junge Russen aus dem fernsten Osten, die sich ein altes Auto kaufen und im Anschluss über die ehemaligen Sowjetrepubliken in die Türkei reisen. Einfach so! Das findet er anfangs unglaublich, aber es lässt ihn nicht mehr los. Also beschließt er: wenn die das können, kann er das auch! Denn wenn er etwas könne, sagt er, dann ja wohl Auto fahren. Um es seiner Frau und seinen zwei jüngsten Töchtern etwas angenehmer zu gestalten, kauft er extra ein neues Auto. Jetzt tut er es Ihnen gleich. Ohne Karte und mit den Englischkenntnissen seiner 13 jährigen Tochter hat er schon über 5000 Kilometer abgerissen und es bis ins ferne Kappadokien geschafft. Unterwegs habe er noch viele andere Backpacker getroffen, da gäbe es wirklich einige, erzählt er stolz. Unter anderen Marco und Ananda aus Deutschland. Die würden in einem umgebauten Unimog von Deutschland nach Indien reisen und in ihrem Blog darüber schreiben. Klingt fast nach seinem nächsten Projekt. Immerhin passe da ein ganzes Sofa hinein, das müsse man sich einmal vorstellen. Jetzt hat er noch eine knappe Woche für die Türkei, dann muss er zurück. Er hat ja nur einen Monat Urlaub...
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Wir dagegen stehen kurz vor unserem nächsten Abenteuer. Kapadokien wird für uns mehr als nur der erwartetete Zwischenstopp werden. Die denkwürdigen Begegnungen und unerwarteten Ereignisse häufen sich, wir fühlen uns angekommen. Es erscheint uns bereits jetzt erstaunlich, wie weit man reisen muss, um sich wirklich in einer anderen Kultur zu wähnen. Doch wir sind dankbar und genießen bereits jeden Tag. Çok teşekkür ederim Türkiye!
1 Kommentar
Christian Bö
3/7/2017 08:09:05

Danke für den super Bericht und die Fotos!

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